Windbruch
zurückgeschickt.“
„Ja“, nickte Rhein, „diese
arroganten Schnösel, die denken, alles ginge sie was an, die muss man gleich in
ihre Schranken weisen. Der Kollege - wie hieß er noch gleich - war doch genauso.
Und was hat er jetzt davon? Guckt sich die Grasnabe von unten an. So schnell
kann es gehen. Wenn Sie mich fragen, Naumann, leidet der Sieverts an totaler
Selbstüberschätzung. Ich meine, was hat er denn schon geleistet, mit seiner
kleinen Klitsche da in New York.“
„Na ja ...“, setzte Naumann an,
wurde aber gleich wieder von seinem Vorstandskollegen unterbrochen.
„Haben Sie gewusst, dass er
schwul ist?“
„Wer?“
„Na, Sieverts.“
„Woher wollen Sie denn das
wissen?“
„Das sieht man dem doch schon
an.“
„Ich weiß nicht ...“
„Doch, doch, glauben Sie mir, der
kriegt bei `ner Frau keinen hoch.“
Naumann schluckte. Er hasste
diese primitiven Sprüche. Aber daraus, dass Sieverts offensichtlich auf Männer
stand, konnte man vielleicht was machen. Da würde er mal intensiv drüber
nachdenken. Denn der Kerl schnüffelte ihm zu viel in Sachen herum, die ihn
nichts angingen, seit er hier war. Außerdem hing er zu oft mit der Coordes ab.
Dabei hatte doch er selbst sich vorgenommen, sie für sich zu gewinnen. Na ja,
ihm würde schon was einfallen, sie von ihm abzulenken. Vielleicht ahnte sie ja
noch gar nichts von Sieverts sexueller Orientierung. Wenn sie es herausfand, würde
sie untröstlich sein. Und das wäre dann seine Chance. Bevor Sieverts hier auftauchte,
hatte sie ihm, Naumann, doch auch immer schmachtende Blicke zugeworfen. Er
hatte sie ein wenig zappeln lassen. Nun, vielleicht ein wenig zu lange. Aber
das würde er schon wieder hinkriegen.
„Meinen Sie, er könnte uns
gefährlich werden?“, fragte Rhein in seine Gedanken hinein.
„Wer? Sieverts? Wohl kaum. Was
weiß der denn schon.“
Rhein zuckte mit den Schultern.
„Wir sollten ihn auf jeden Fall unter Beobachtung lassen. Ich habe gesehen,
dass er sich erst vor zwei Stunden mit diesem Rautschek getroffen hat. Sie
erinnern sich, dass die schon auf der Bauplattform so innig die Köpfe
zusammengesteckt haben. Das gefällt mir nicht.“
„Ich glaube, es war ein Fehler,
dass wir uns auf das Joint-Venture mit ihm eingelassen haben“, sagte Naumann
und strich sich nachdenklich über den ungepflegten Bart, der hinterher noch
struppiger aussah.
„Nicht wir, mein lieber Naumann,
haben uns auf diesen Deal eingelassen. Das waren Sie ganz alleine, wenn ich Sie
daran erinnern darf“, erwiderte Rhein schleppend und erhob sich langsam aus dem
Ledersessel. „Und ich schwöre Ihnen, wenn mit dem etwas schief geht, dann
werden auch Sie alleine dafür verantwortlich sein. Wie Sie wissen, mache ich
grundsätzlich keine Fehler. Denn sonst wäre ich ganz gewiss nicht in der
Position, in der ich heute bin.“ Damit verließ er schlurfenden Schrittes das
Büro.
Naumann kochte und schlug mit der
Faust auf seinen Schreibtisch. Eines Tages würde er diese Nullnummer von Rhein
umbringen, das stand fest.
26
Bald würde es soweit sein. Alles
hatte so geklappt, wie er es sich vorgestellt hatte. Was die für ein blödes
Gesicht gemacht hatten, als ihnen klar wurde, dass er Bescheid wusste! Dass er
informiert war, über alles. Vergnügt grinste er vor sich hin. Das Geld hatte er
so gut wie in der Tasche. Er konnte sie förmlich schon spüren, die festen,
nagelneuen 100-Euro-Banknoten, die er bündelweise in seinen Händen halten und
mit seinen Fingern liebkosen würde.
Ja, mit ihm hatten sie nicht
gerechnet, die feinen Herrschaften. Hatten ihn unterschätzt, von Anfang an. Wie
oft hatte er sich geärgert, immer nur die zweite Geige zu spielen. Immer waren
die anderen bevorzugt worden. Aber nun war er dran. Wenn man ihm seinen Teil
des Kuchens nicht freiwillig gab, dann würde er ihn sich eben selber holen. Und
dann würde er gehen, wohin er wollte. Er würde ein Leben im Luxus führen, in
Saus und Braus. Endlich würde er jemand sein. Endlich würden alle zu ihm
aufschauen.
Auch Tomke. Ein sehnsüchtiges
Lächeln umspielte seinen Mund. Morgen würde er es ihr sagen. Dass er bald ein
reicher Mann sein würde. Und er würde ihr seine Liebe gestehen und ihr sagen,
dass er immer bei ihr bleiben würde. Wie erleichtert würde sie sein, dass er
nicht aufgegeben hatte, nachdem sie den dummen Fehler gemacht hatte, ihn abblitzen
zu lassen. Dass er ihr verziehen hatte. Und dass er sie trotzdem liebte.
Er wusste schon, wie er es
anstellen
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