Windbruch
sagte
Timo, und nach wie vor war ihm keinerlei Aufregung anzumerken. Er war die Ruhe
selbst. „Glaub mir, da wo sie sind, sind sie sicher“, fuhr er fort. „Weiß gar
nicht, warum du so nervös bist. Ist doch sonst nicht deine Art.“ Er musterte
sie kurz mit hochgezogenen Augenbrauen, dann wischte er weiter an seiner Gertrud
herum.
„Die Windlady II ist nicht
standsicher“, mischte Maarten sich nun doch mit zitternder Stimme ein. Er stand
kurz vor der Explosion.
„Wer sacht denn so was?“ Timo
schüttelte den Kopf. „Auf was für Ideen ihr Ingenieure so kommt, das ist doch
...“
„Timo, bitte, er hat recht“, fuhr
Inka verzweifelt dazwischen. „Wir haben keine Zeit, dir alles zu erklären. Aber
glaube mir, die ...“
Noch bevor sie den Satz beenden
konnte, wurde ihre Stimme plötzlich von einem lauten Scheppern übertönt.
Maarten und Inka zuckten zusammen, nur Timo blieb ganz ruhig. „Darauf hab ich
nur gewartet“, murmelte er, „is jedes Mal dasselbe. Die Jungs lassen ihre
Regenschutzzelte draußen stehen, unter denen sie arbeiten, und die fliegen bei
diesem Wind dann natürlich wech. Morgen können wir sie dann irgendwo in Emden
wieder einsammeln. Und wenn wir Pech haben, landen sie in Papenburg oder so.
Mannomann.“
„Timo, bitte“, rief Inka wieder,
als sie sich von dem Schrecken erholt hatte. Ich ...“
Doch der Pilot schnitt ihr mit
einer Armbewegung das Wort ab. „Inka“, sagte er, und seine Stimme klang nun
deutlich bestimmter, „selbst wenn ich wollte, ich kann und darf nicht
rausfliegen. Glaub mir, wir hätten Glück, überhaupt an der Plattform
anzukommen. Aber so, wie sich das hier entwickelt, kämen wir auf keinen Fall
mehr zurück.“ Als er die Panik in Inkas jetzt tränenfeuchten Augen sah,
tätschelte er ihr unbeholfen den Rücken. „Tut mir leid, Kleine, aber es geht
wirklich nicht. Vor drei, vier Stunden, ja. Aber nun ...“
„Gibt es denn keine andere
Möglichkeit, da raus zu kommen?“, startete Maarten einen weiteren Versuch,
obwohl er wusste, dass es zwecklos war. Aber er konnte doch nicht so einfach
klein beigeben. Schließlich ging es um rund zwanzig Personen, die sich
schätzungsweise zurzeit auf der Plattform aufhielten. Und es ging um Tomke. Bei
dem Gedanken, ihr könnte etwas zustoßen, schnürte sich ihm die Kehle zu.
Erstmals wurde ihm, angesichts der Gefahr, in der sie schwebte, bewusst, wie
viel sie ihm wirklich bedeutete.
Aber Timo hob nur die Schultern
und legte seinen Lappen weg. „Besser, wir machen uns jetzt auf den Weg nach Hause.
Mach ja gerade noch gehen, dass das Auto hier im freien Feld auf der Straße
bleibt.“ Er wirkte nach wie vor ganz ruhig. Aber als er auf dem Weg zum
Verwaltungsgebäude einen besorgten Blick zurück in Richtung Nordsee warf und
tief durchatmete, wusste Maarten, dass auch er sich nun Sorgen machte. Aber was
nützte es. Jetzt konnten sie nur noch hoffen, dass die Windlady II in
ihrem fast fertigen Zustand stärker war als angenommen.
29
Da saß sie. Und sie sah
wunderschön aus. Nur schade, dass inzwischen Wolken aufgezogen waren und die
Sonnenstrahlen, die am Vormittag noch die Fensterscheiben durchdrungen hatten,
nicht mehr in ihren blonden Haaren spielten und sie zum Funkeln brachten. Aber
auch ohne die Sonne war sie eine wahre Augenweide, wie sie so dasaß, den Kopf nachdenklich
auf ihre Hände gestützt, und fast regungslos auf den Bildschirm des Computers
starrte. Zwischen ihren Augen hatte sich eine kleine, steile Falte gebildet,
wie immer, wenn sie angestrengt nachdachte.
Und dass sie heute etwas zum
Nachdenken hatte, dafür hatte er am Tag zuvor gesorgt. Er hatte sie angerufen
und ihr erzählt, dass es Probleme mit der Windlady II gebe, und zwar in
ihrem Fachgebiet, der Elektronik. Natürlich, auch er selbst war Elektroniker.
Aber er hatte ihr glaubhaft klarmachen können, dass er mit seinem Latein am
Ende war. Er habe sein Möglichstes gegeben, aber den Fehler nicht finden können.
Ob sie nicht am nächsten Tag mal so freundlich sein könne und mal drüberschauen,
draußen, auf der Plattform. Natürlich wisse er, wie beschäftigt sie mit ihren
eigenen Projekten sei, aber trotzdem, nur dieses eine Mal vielleicht ...
Sie hatte laut in den Hörer
geseufzt, und gesagt, dass das ja nun eigentlich nicht ihre Aufgabe sein könne,
die von ihm verursachten Fehler auszumerzen, woraufhin ihm ein schmerzhafter
Stich durch die Brust gefahren war. Warum nur mussten ihn alle immer behandeln
wie einen Idioten? Aber
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