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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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einschlafen, Feltrup, mein Junge. Bald wird es hell, und dann kommen die Menschen und töten dich.)
    Es hatte dennoch den Anschein gehabt, als hätte sich das Wagnis gelohnt, denn hier gab es wenigstens Wesen seiner Art: umsichtig, nachdenklich, mit dem Wunsch, die Verhältnisse zu verändern. In einem Punkt hatte Feltrup die Schleicher nicht belogen: Die Ixchel führten etwas im Schilde. Er witterte sie an den ausgefallensten Orten: unter der Suite des Botschafters, an der Tür zur Pulverkammer und an den Sorgketten. Besonders merkwürdig war, dass vor drei Wochen mehr als ein Dutzend von ihnen ins Zwischendeck eingedrungen waren und sich um die Hängematte eines Teerjungen versammelt hatten. Feltrup hatte den trockenen Schweiß an der Hängematte gerochen, der die Angst eines Menschen verriet. Die Ixchel hatten offensichtlich zu dem Jungen gesprochen und ihn eingeschüchtert. Aber was in der gesamten Schöpfung konnte sie bewegen, sich überhaupt einem Menschen zu zeigen?
    Sie haben Pläne, dachte Feltrup zum hundertsten Mal. Und was immer das für Pläne sind …
    »Die Parole, Vater!«
    Feltrup fuhr so heftig in die Höhe, dass er von der Innenseite des Deckels abprallte und auf und ab hüpfte wie ein Gummiball. Die Stimme kam von der Öffnung her – und dort waren vier lange Speere genau auf sein Herz gerichtet. Die Ixchel! Sie hatten ihn gefunden!
    Sie drängten sich um die Rohröffnung, ihre Augen leuchteten kupferrot. Lauter Männer. Drei von den vieren waren kahlköpfig und barhäuptig. Der Letzte, ein junger Bursche in leichter Rüstung, zeigte ein Lächeln, bei dem Feltrup das Blut gefror. Sein Speerarm zuckte ungeduldig.
    Eine zweite Stimme ließ sich vernehmen: »Ich will mir das Wesen zuerst ansehen.«
    Einer der Speerträger wich zurück, und an seiner Stelle erschien ein älterer Ixchel. Er war eindeutig der Anführer, ein Graubart mit brennenden Augen. In den Händen hielt er ein breites weißes Messer.
    »V-V-Vettern!«, stammelte Feltrup. »Euer Haus und eure Ernte seien gesegnet!«
    »Er ist schnurstracks in das Rohr marschiert«, sagte der junge Mann mit dem Eislächeln. »Wir hatten noch nicht einmal den Köder ausgelegt.«
    »Köder?« Feltrups Lachen klang nicht ganz echt. »Um mich zu fangen, braucht ihr keinen Köder, Freunde. Ich suche doch schon die ganze Zeit nach euch! Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mit euch zu sprechen!«
    »Er hat das Blut des Letzten gerochen«, sagte der Graubart. »Deshalb ist er in das Rohr gekrochen. Insgeheim sind alle Ratten Kannibalen.«
    »Geliebte Vettern!«, flehte Feltrup verzweifelt. »Wie schade, dass ihr so denkt! Diese Sünde begehen nicht einmal Ratten – oder nur sehr, sehr selten! Und ich bin nicht wie andere Ratten! Mein Name ist Feltrup Stargraven, und ich habe euch viel zu erzählen.«
    Die Ixchel-Männer sahen sich an. Ratten hatten keine Namen, sie konnten sie sich nicht merken. Wenn eine Ratte einer anderen etwas zurufen wollte, verwendete sie irgendeinen Spitznamen, der ihr gerade einfiel – Weißfell, Warzengesicht oder Langzahn –, und vergaß ihn sofort wieder, wenn die andere außer Sicht war.
    Feltrup durfte keine Zeit verlieren. Er musste sofort ein Zeichen seines guten Willens geben. So senkte er den Kopf und wandte sich an den Anführer der Ixchel.
    »Wissen Sie, in welchem Auftrag die Menschen unterwegs sind, Sir? Ich schon. Der Mondfalke hat es mir verraten, und er weiß Bescheid – sein Herr ist der Spion des Kaisers. Soll ich es Ihnen sagen? Es ist ein grässlicher, ein abscheulicher Auftrag!«
    Der ältere Mann seufzte missmutig. »Pass auf, Taliktrum«, sagte er. »Gleich probiert er es mit einer List. Diese sorrophranischen Ratten sind sonderbare Geschöpfe …!«
    »Ich bin aus Noonfirth!«, rief Feltrup.
    »Natürlich so schwach im Kopf wie alle ihrer Art. Aber wenn sie in Lebensgefahr sind, könnte man fast den Eindruck gewinnen, sie besäßen den Verstand eines erwachten Tieres.«
    »Ich bin erwacht! Ich kann denken und mich erinnern!«
    »Er redet ziemlich viel«, sagte der junge Mann. »Diadrelu sagt, so schwatzen sie, wenn sie tollwütig sind.«
    Sie halten mich für verrückt! Feltrup richtete sich auf und schwenkte die Vorderpfoten, um die Ixchel wieder auf sich aufmerksam zu machen. Es gelang ihm, alle Speerarme spannten sich. Er quiekte erschrocken auf, ging wieder auf alle viere zurück und hielt sich die Augen zu. Dann nahm er seine ganze Willenskraft zusammen und sagte leise: »Hört zu, Vettern –

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