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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Art gerettet worden!
    »Nicht kratzen, Junge. Ich muss doch den Kadaver von deinem Schwanz lösen.«
    Ein hässliches Knirschen, dann zerbrach der Kopf der toten Ratte und sank in die Tiefe. Der Seehund drehte sich auf den Rücken und stieg nach oben. Auf seiner Brust liegend, stieg Feltrup aus dem Wasser.
    Er war den Tränen nahe. »Mein Bruder, mein Retter! Gesegnet seien alle Götter, alle Sterne und Engel und anderen übernatürlichen Wesen!«
    Der Seehund lächelte vielleicht ein wenig, aber er sagte kein Wort. Seine Augen waren auf die Chathrand gerichtet, die jetzt gut hundert Meter entfernt war.
    »Wie hast du mich gefunden?«, fragte Feltrup.
    »Ich habe deine Stimme gehört. Sie trägt nicht weit, aber es hat genügt.«
    »Ein Glück! Was für ein Glück! Endlich! Oh du verehrter Meister aller Seehunde! Wie kann ich mich jemals erkenntlich zeigen?«
    »Indem du aufhörst, solchen Unsinn zu reden. Ich habe einen Namen. Du wirst ihn bald erfahren.«
    Feltrup zwang sich, den Mund zu halten. Der Seehund war offenbar ein kluges Tier und mochte sein Geplapper nicht. Er inspizierte sich selbst. Seine Verletzungen waren nicht schwer, denn sowohl die verletzte Pfote wie auch der Schwanzstummel waren zäh wie Leder. Das Salz brannte jedoch wie Feuer in seinen Wunden, und zugleich zitterte er vor Kälte. Und das Schiff entfernte sich noch immer.
    »Sir?«, sagte er und hoffte, dass seine Stimme etwas würdevoller klang. »Sie haben mir das Leben gerettet. Nun gehört es Ihnen – Sie können nach Belieben damit verfahren.«
    »Was soll ich mit deinem Leben – ich habe selbst eins.«
    »Gewiss doch, Sir. Aber darf ich mir die Freiheit erlauben, auf einen wesentlichen Unterschied zwischen Ihrer prachtvollen und meiner eigenen ach so gewöhnlichen und hässlichen Gestalt hinzuweisen? Ratten können zwar schwimmen, aber längst nicht so gut wie Ihresgleichen.«
    Der Seehund kratzte sich mit einer Flosse hinter dem Ohr.
    Feltrup fuhr fort. »Ich kann Ihnen versichern – ha, ha, sehen Sie nur, jetzt setzen sie noch mehr Segel! –, dass ich selbst an meinen besten Tagen nicht fähig wäre, von hier bis ans Ufer zu schwimmen. Und selbst Ihnen könnte es schwerfallen, mich so weit zu tragen.«
    Schweigen. Die Chathrand war jetzt mindestens eine Viertelmeile entfernt.
    »Damit will ich sagen – bitte verzeihen Sie meine Direktheit, Sir, wir Ratten haben einfach schlechte Manieren –, wenn ich dieses Schiff nicht erreiche, muss ich ertrinken.«
    »Ganz recht«, antwortete der Seehund.
    Feltrup gab auf. Es war kein Missverständnis. Er war auf der Brust eines wortkargen Seehunds gestrandet, der wahrscheinlich (wie Mugstur, wie er selbst) über dem selbständigen Denken den Verstand verloren hatte, dieses Spiels jeden Moment müde werden, sich umdrehen und davonschwimmen würde. Aber zumindest hatte er jemanden, mit dem er reden konnte.
    »Bist du schon lange wach, Bruder?«, fragte er.
    »Seit meiner Geburt«, antwortete der Seehund.
    Darüber geriet Feltrup vollends außer sich. Er begann auf dem Bauch des Seehunds zu tanzen und rief: »Du wurdest schon wach geboren! Wie ein Mensch! Oh was für eine glorreiche, wundersame Welt!«
    Der Seehund streifte ihn mit einem kurzen Blick. Seine schwarzen Augen wurden weicher. »In meiner Welt erzählt man den Kindern ein Märchen«, sagte er und schaute zum Schiff zurück. »Es handelt von einem Mann, der im Gefängnis erwachte. Er schlug nach einem Traum, der ihm so lang erschien wie sein ganzes Leben, die Augen auf und fand sich in einem pechschwarzen Käfig wieder. Der war so dunkel, dass er die Hand nicht vor den Augen sehen, und so klein, dass er darin nicht aufrecht sitzen konnte. Manchmal dachte er, Geräusche von außerhalb zu hören, aber wenn er rief, antwortete niemand. Er war vollkommen allein.
    Nach langer, langer Zeit ertastete der Mann mit einem Fingernagel einen winzigen Riegel. Sobald er ihn gelöst hatte, schwang die Tür auf, und der Mann zwängte sich voller Freude hindurch. Nun befand er sich in einem weiteren Käfig – der war allerdings ein wenig größer und bekam durch graue Fenster von der Größe von Zuckerwürfeln ein wenig Licht. Ein Schatten zeigte ihm, dass er nicht mehr allein war. Eine Frau bewegte sich an den Käfigwänden entlang und befühlte sie mit den Händen. Sie umarmten sich, und die Frau rief: ›Willkommen, Bruder! Du kannst mir helfen, nach einer Tür zu suchen!‹
    Gemeinsam fanden sie nach einer Weile eine zweite Tür und dahinter einen

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