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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Menschen oft als Nachtwächter arbeiteten, um nicht ständig angestarrt zu werden.
    Jetzt sah Pazel, dass das Becken in der Mitte des Hofes ein Brunnen war. Sein Führer blieb davor stehen und legte eine seiner großen Hände auf den Rand.
    »Habt Ihr Mittlebrug Swellows Geld gegeben?«, fragte er scharf.
    »Ist das sein Vorname?«
    »Antwortet! Habt Ihr ihn bezahlt?«
    »Nein, Sir. Im Gegenteil, ich habe Geld von ihm bekommen.«
    Die Gestalt stieß ein heiseres Lachen aus. »Das sieht ihm ähnlich.«
    Der Mann beugte sich über den Brunnen und rief nur ein Wort: »Falurk!« Pazel drehte sich um und rannte um sein Leben.
    Swellows hatte ihn verkauft. Das Wort bedeutete ›Gefangener‹ – er konnte sich im Moment nur nicht erinnern, in welcher Sprache. Aber er wusste, wer gefangen genommen werden sollte. Der Mann (oder das Wesen) hinter ihm krächzte verwundert; er hatte offensichtlich nicht erwartet, dass ihn der Junge verstand.
    Pazel schaffte es, den Steinbogen zu passieren. Doch gerade als die helleren Straßen hinter der Gasse in Sicht kamen, legte sich etwas um seinen Knöchel, eine Lederschnur wie von einer Bullenpeitsche, mit einer kleinen Eisenkugel an der Spitze. Die Kugel schoss rasend schnell um sein Bein herum, und bevor er auch nur anfangen konnte, die Schnur abzuwickeln, wurde er von den Füßen gerissen und zurück in den Hof geschleift.
    Er zog sein Messer und versuchte, die Schnur zu durchschneiden. Jetzt sprangen dunkle Gestalten zu zweit und zu dritt aus dem Brunnen. Das Tor wurde langsam geschlossen. Pazel schrie, aber eine Hand so feucht wie ein Froschbauch legte sich über seinen Mund. Ein Blitz ließ sie aufleuchten wie brennenden Phosphor, und Pazel spürte, wie ihn die Kräfte verließen.
    Die Flikker hatten ihn schließlich doch erwischt.

25
     
    G EBURT EINER V ERSCHWÖRUNG
     
     
    5. Modoli 941
    53. Tag nach Etherhorde
     
    Die schwarze Ratte kämpfte um ihr Leben.
    Sie war mit knapper Not dem Stiefelabsatz des Segelmachers und den Zähnen von Meister Mugsturs Heiliger Garde entronnen, indem sie durch die Tür der Ixchel zurück in das Abflussrohr hechtete. Das obere Ende des Rohrs verhieß keine Rettung, dort saß der Junge vor Drellareks Tür. Also hatte Feltrup die andere Richtung eingeschlagen, nach unten und achtern zu den Heckbalken und der tosenden See. Andere Ratten stürzten sich, blind vor Angst, in die gleiche Richtung. Zuerst beachteten sie ihn nicht. Doch dann wurde der Wind lauter und kam näher – und plötzlich war die Mündung des Ablaufrohrs da, und hinter der Öffnung wogte das grünschwarze Hafenwasser.
    In diesem Moment wandten sich die Ratten gegen ihn.
    »Verfluchter Feltrup!«, schrien sie. »Unheimlich, krank, vom Engel verstümmelt! Er hat den Meister angeschrien! Er hat die Kriechlinge dazu gebracht, uns die Köpfe abzuschlagen. Tötet ihn, tötet ihn, bevor er noch einmal zuschlägt!«
    »Ihr irrt euch!«, flehte Feltrup. »Ich wollte euch nie etwas Böses! Mugstur ist der Übeltäter! Er macht euch zu Sklaven!«
    Aber sie wollten nicht auf ihn hören, das Entsetzen raubte ihnen noch den letzten Rest ihres ohnehin spärlichen Verstands. Feltrup sah voraus, was als Nächstes geschehen würde. Die Ratten vor und hinter ihm würden näher rücken, nach ihm schnappen und ihn zwingen, sich einem Angriff von zwei Seiten zu stellen. Er würde sie eine Weile abwehren – immerhin waren sie feige –, aber wenn seine Kräfte nachließen, würden sie zubeißen und nicht mehr loslassen. Und dann würden sie ihn in Stücke reißen.
    In diesem Sekundenbruchteil beklagte er seinen erwachten Zustand nicht mehr. Sein Verstand arbeitete schnell – blitzschnell, zu schnell für den gewöhnlichen Alltag, aber genau richtig für diese Situation. Er übersah mit einem Blick alle seine Möglichkeiten: um Gnade flehen und sterben. Sich tot stellen und sterben. Von unten gegen zahllose Ratten kämpfen, die ihm (abgesehen von den Menschen) den Tod geschworen hatten, und sterben.
    Oder tun, was er am meisten fürchtete: sich dem Meer überlassen und die Gefahr des Ertrinkens auf sich nehmen. Auch hier war der Tod überwältigend wahrscheinlich. Aber er war nicht von vornherein garantiert.
    Fünf Ratten zwischen ihm und der Rohrmündung. Fünf Vettern, die er töten musste. Schrecken aller Schrecken, sein Maul mit Mord zu füllen. Er machte sich ans Werk.
    Sie waren auf weitere Tränen und hysterische Ausbrüche gefasst, aber nicht auf einen entschlossenen Angriff. Er fuhr durch die

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