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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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noch größeren, noch helleren Käfig. Dort wuchs in einer Ecke weiches grünes Moos, und vier Leute waren eifrig beschäftigt, die Wände abzusuchen.
    Verstehst du, was das heißt, Feltrup? Wahres Erwachen heißt nicht einfach, sich aus seinem Bett, seinem Nest oder seinem Bau zu erheben. Es heißt, von einem Käfig in einen größeren, helleren, weniger einsamen Käfig zu wechseln. Und dieser Weg hat niemals ein Ende.«
    Der schwarzen Ratte schlug das Herz bis zum Hals, aber sprechen konnte sie nicht.
    »Kein Tier, kein Mensch, kein tausend Jahre alter Magier ist vollkommen wach«, fuhr der Seehund fort. »Wer das von sich glaubt, ist schon ein wenig eingeschlafen. Wer dir etwas anderes sagt, den sollst du fürchten – und ihm helfen, wenn du kannst. Ah! Da ist sie ja!«
    Feltrup folgte seinem Blick: In einem der Heckfenster der Chathrand war ein winziges Licht erschienen. Es erlosch, flammte wieder auf, verschwand abermals. So ging es dreimal.
    »Und jetzt los, mein Junge«, sagte der Seehund und tauchte ab.
    Wieder musste Feltrup schwimmen. »Hilfe!«, schrie er. Aber der Seehund war fort, tief unter ihm, nicht mehr zu sehen. »Hilfe! Hilfe!« Es gab keine Hilfe. Feltrup paddelte im Kreis herum, alle Glieder schmerzten ihn, er schaffte es kaum, die Nase über den Wellen zu behalten. Er würde keine Minute länger durchhalten.
    Aber das brauchte er auch nicht. Eine Bewegung im Wasser veranlasste ihn, nach unten zu schauen. Der Seehund kam mit erstaunlicher Geschwindigkeit aus der Tiefe auf ihn zugeschossen. Bevor Feltrup einen Schrei ausstoßen konnte, durchbrach er die Oberfläche, erfasste ihn im Sprung mit dem Maul und schnellte sich hoch aus dem Wasser. Immer weiter ging es empor. Wie vom Donner gerührt sah Feltrup die Zähne des Seehunds flacher werden und zu einer langen, scharfen Masse verschmelzen, Federn wuchsen ihm aus den Wangen, und die kleinen Flossen streckten sich und wurden zu Flügeln.
    Der Seehund hatte sich in einen Vogel verwandelt – einen großen schwarzen Pelikan. Und Feltrup hockte in seinem geräumigen Kehlsack wie ein Kaninchen im Ranzen eines Jägers. Unter ihm – welch schwindelerregender Anblick! – zogen das Meer, die Felsen und das Festland vorbei, in Uturphes Fenstern leuchteten gelbe Lampen, im Osten zuckte ein Blitz über den Himmel. Dann stieß der Vogel mit wildem Krächzen auf die Chathrand hinab.
    Sie schossen mit großer Geschwindigkeit genau auf die Galeriefenster zu. Als sie nur noch zwanzig Fuß entfernt waren, erkannte Feltrup, dass das hüpfende Licht eine Kerze in der erhobenen Hand eines Mädchens war. Das Mädchen riss rasch das Fenster auf und sprang beiseite. Der Pelikan spreizte im letzten Moment die Flügel und wurde langsamer. Noch ein dumpfer Schlag, dann war alles still.
    Zwei Hunde begannen zu bellen.
    »Klatschnass!«, rief das Mädchen. »Sieh dir nur diesen Teppich an! Wie in aller Welt soll ich das Syrarys erklären?«
    Der Pelikan stand auf, wackelte durch den Raum und spuckte Feltrup mit einem Schwall Seewasser auf das Bärenfell.
    »Sag ihr, du hättest ein Fenster offen gelassen«, riet er dann.
    Feltrup schaute durch einen Schleier aus goldenem Haar nach oben. Tascha Isiq, die Friedensbraut selbst, kniete neben ihm und streichelte sein nasses Fell. Dann wandte sie sich seinem Retter zu und lächelte.
    »Als Nerz gefällst du mir besser, Ramachni.«
     
    *     *     *
     
    Ramachni hatte bald wieder seine Nerzgestalt angenommen, doch bis Feltrup sich bewegen ließ, sein Dankesquieken einzustellen, vergingen viele Minuten. Während Tascha den Teppich über das Waschbecken hängte, humpelte er im Gästesalon herum und erging sich in Lobeshymnen – über ihre Freundlichkeit, Ramachnis Magie, das Halsband ihrer Mutter, einen glänzenden Löffel. Jorl und Suzyt tappten hinter ihm her wie zwei Elefanten, sie hatten die Ratte sofort ins Herz geschlossen.
    Als Tascha das Wasser aufgewischt hatte, so weit das möglich war, zwängten sie sich alle in ihre Schlafkabine. Tascha schloss die Tür.
    »Und jetzt, Feltrup Stargraven«, sagte Ramachni, »kannst du mir deine Geschichte erzählen und meine Befürchtungen bestätigen. Denn ich habe vor Wochen eines Nachts mitgehört, wie du deinen Artgenossen erklärtest: Ich könnte euch noch eine ganz andere Geschichte erzählen, Brüder, von einem menschlichen Ungeheuer, das bald auf diesem Schiff sein Unwesen treiben wird. Niriviel, der stolze Falke, hat von ihm gesprochen. Aber ihr würdet mir ja doch

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