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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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vor die Füße geworfen. Der Gendarm sah seinen Fehler sofort ein. Pazel war kein Schuldner, sondern ein Dieb. Allerdings nahm er auch von diesem Vorwurf Abstand, als Pazel die Hälfte der Münzen zu einem Häufchen zusammenscharrte und neben seinem schwarzen Stiefel liegen ließ.
    Als der Junge endlich den Hafen erreichte, war von der Chathrand niemand mehr an Land. Und was noch schlimmer war, niemand konnte sich erinnern, eine Abordnung des Großen Schiffes mit einem Verletzten gesehen zu haben. Das Gefühl der Hilflosigkeit war grauenvoll. Hercól war wie vom Erdboden verschwunden.
    Einen kleinen Sieg hatte er dennoch errungen. Er war von zwei Reitern überholt worden, die rasch und zielstrebig auf den Hafen zutrabten. Ihre blanken Augen und die schmalen Wolfshundgesichter hatten ihn an Hercól erinnert. Und als er ihnen nachlief, hörte er sie in der Tat Tholjassanisch sprechen.
    Er rief ein paar Worte in ihrer Sprache, und sie wendeten sofort ihre Pferde.
    »He, du da? Du siehst nicht aus wie ein Tholjassaner, aber du sprichst so.«
    »Ich bin Ormalier, Sir, aber ich habe einen tholjassanischen Freund verloren. Er ist verletzt, und ich fürchte um sein Leben.«
    Als er ihnen von Hercóls Verschwinden erzählte, verdüsterten sich ihre Gesichter. »Ich werde den tholjassanischen Konsul benachrichtigen«, sagte der eine. »Junge, wir danken dir. Aber wir haben es aus einem noch schrecklicheren Grund sehr eilig. Die Nachricht kam bei Tagesanbruch. Unsere Küste wird belagert, und es wurden Kinder als Geiseln genommen. Wir stechen noch in dieser Stunde mit Kurs auf Tholjassa in See.«
    »Bedeutet das Krieg?«, fragte Pazel entsetzt. Aber der Reiter schüttelte den Kopf.
    »Wohl eher ein Piratenangriff. Aber es könnte ein Krieg daraus entstehen. Wir Tholjassaner beginnen niemals einen Kampf, aber beendet haben wir schon viele.«
    Und dann sprengten sie ohne ein weiteres Wort davon. Augenblicke später fiel Pazel ein, dass jedes Schiff mit Kurs auf Tholjassa dicht an Ormael vorbeiführe, und er flog förmlich zum Hafen. Doch als er das Schiff entdeckte, sagte der Erste Maat, sie könnten keinen weiteren Mann mehr unterbringen und würden ohnehin in Talturi und nicht in Ormael anlegen. Zu allem Unglück wurde noch mindestens eine Woche kein Schiff mit Ziel Ormael mehr erwartet. Wenn Pazel genügend Geld für seine Passage übrig behalten wollte, musste er in Uturphe mit der Hälfte der ursprünglich veranschlagten Summe auskommen.
    Beim Essen (einem üblen Fraß aus Kohlblättern und Reis, in Schneckenöl gegart) fasste Pazel den Entschluss, es mit dem Wirtshaus am Schwarzbrunnen zu versuchen. Mr. Swellows’ Empfehlung war zwar fast eher ein Grund, das Haus zu meiden – andererseits brauchte er ein billiges, sicheres Bett. Besonderen Komfort konnte er sich nicht leisten.
    Ein Bäcker wies ihm den Weg: vorbei am Schlangenplatz, um die Schrotthalde herum, beim Messerhändler an der Ecke nach links. Die letzte Biegung brachte ihn zum Schwarzbrunnen – doch die Gasse war erschreckend schmal und dunkel! Hatte er sich geirrt? Nein. Da war der Steinbogen, von dem der Bäcker gesprochen hatte, und auch die Laterne verbreitete das beschriebene grünliche Licht. Die Tür unter dem Bogen stand offen. Dahinter sah Pazel einen Innenhof mit einem Wasserbecken oder einem Springbrunnen in der Mitte.
    »Hallo!«
    Sofort erhob sich eine schwarze Gestalt und stellte sich ihm in den Weg. Der Mann war ein wenig kleiner als Pazel, hatte aber auffallend breite Schultern und sehr lange Arme und Finger. Dank einer roten Laterne, die hinter ihm an einem Haken hing, blieb sein Gesicht im Schatten, dafür zeichneten sich seine großen flachen Ohren, die wie Wildpilze zu beiden Seiten aus dem Kopf sprießten, umso deutlicher ab.
    »Steht!«, zischte der Mann. »Ich kenne Euch nicht! Nennt Euer Begehr oder verschwindet!«
    »Guten Abend!«, sagte Pazel ziemlich überrascht. »Ich will nur ein Zimmer für die Nacht. Ich habe Geld, ehrlich! Mr. Swellows von der Chathrand schickt mich mit besten Grüßen.«
    Die Ohren bewegten sich leicht, und Pazel erriet, dass der Mann lächelte.
    »Swellows? Ach, das ändert die Sache! Tretet ein und seid willkommen.«
    Das hörte sich schon besser an. Pazel hörte den Mantel rauschen. Der Mann drehte sich um und zog sich gleichzeitig eine Kapuze übers Gesicht, bevor er über den Hof voranging. Er hatte einen sehr sonderbaren Gang! Hatte er vielleicht einen Buckel? Pazel wusste, dass diese bedauernswerten

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