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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Nächte damit, an Deck auf und ab zu gehen – er sagt, er kann in seiner Kabine nicht atmen –, und er hatte auch diesen lästigen Hercól gerettet. Mr. Ket blickte auf, lächelte und verneigte sich nacheinander vor uns beiden.
    »Ganz ruhig, er hat nichts gesehen«, murmelte ich. Aber der Vorsteher war verschwunden. Ich drehte mich um, und da sah ich ihn über die Uferstraße fliehen. Er hörte nicht auf zu rennen, bis er oben an der Treppe angelangt war und die Tür zu seinem Gefängnis durchschritten hatte.
    Schurken, Narren, Irre – sehen Sie, in welcher Gesellschaft ich mich befinde, Vater?
    Ich verbleibe wie immer Ihr gehorsamer Sohn
     
    N. R. Rose
     
    P.S. Mutter verlangt schon wieder nach den goldenen Sumpftränen. Ich habe ihr schon oft gesagt, dass diese Badekristalle schwer zu bekommen sind, sie bilden sich nur, wenn der Blitz in eine alte Zypresse fährt, während sie Saft abgibt. Dennoch bedrängt sie mich inzwischen täglich und geht sogar so weit, mich als ›undankbares Kind‹ zu bezeichnen. Würde es Sie sehr inkommodieren, verehrter Vater, ihr diesen Wunsch behutsam auszureden?

27
     
    H ANDELSWARE
     
     
    6. Modoli 941
     
    Die Flikker fesselten Pazel an Händen und Füßen und warfen ihn in den Brunnen. Er stürzte zwanzig Fuß tief in schwarzes Wasser und war überzeugt, dass sie ihn ertränken und seinen Leib zu Fischfutter zerhacken wollten, doch obwohl er blind war vor Entsetzen, grämte er sich noch darüber, dass er für so wertlos erachtet wurde.
    Sekunden später wurde er aus dem Wasser gezogen und auf einen kalten Steinboden geworfen. Er prustete und würgte. Zehn oder zwölf Flikker hockten mit nacktem Oberkörper im Dunkeln um ihn herum und tuschelten mit heiseren Stimmen. Dann nahmen sie ihm sein Gold, sein Messer und den Elfenbeinwal seiner Mutter ab. Alle drei Dinge riefen Entzücken hervor, sie tätschelten ihm mit runden, klebrigen Fingerspitzen die Wangen und nannten ihn ›Chplegmun‹ – Guter Junge.
    Eines hatte Pazel bei der Invasion von Ormael gelernt: Wenn du dem Pöbel in die Hände fällst, leiste keinen Widerstand. Verhalte dich ruhig, füge dich, tu alles, was man dir sagt. Vor allem, studiere deine Häscher genau. Das war in diesem düsteren Raum leichter gesagt als getan. Doch hin und wieder blitzte eines der Wesen auf, als könne es seine Energie nicht länger halten. Der Anblick war grauenerregend: Der ganze Körper des Flikkers erstrahlte wie ein Glühwürmchen, das Fleisch wurde durchsichtig, und Pazel konnte Adern, Zahnwurzeln und die sechs pulsierenden Kammern eines Flikkerherzens sehen.
    »Swellows hat ihn reingelegt«, sagte einer in ihrer Sprache. »Hat sich mit den Münzen sein Vertrauen erkauft. Hat er noch alle Finger?«
    Rasch kontrollierten sie Pazels sämtliche Gelenke, als wollten sie sichergehen, dass alle Teile in gebrauchsfähigem Zustand waren, und tasteten seinen Kopf nach Bruchstellen ab. Dann begannen sie, über sein weiteres Schicksal zu streiten.
    Der Flikker, der Pazel am Tor in Empfang genommen hatte, wollte ihn an die Messerschmiede von Uturphe verkaufen, doch ein anderer fand, er sei zu klein, um flüssiges Eisen zu gießen, und brächte keinen guten Preis. Ein dritter meinte, man solle ihn an ein Schiff nach Bram abgeben, dort brauchten die Jäger viele Jungen, um die Tiger aus ihren Höhlen zu locken. Ein Weiterer kannte einen Magier, der einen neuen Gehilfen suchte, weil er den letzten auf einem Fest in einen Eisblock verwandelt und ihn dann vergessen hatte, bis der Junge geschmolzen und durch die Fußbodendielen gesickert war.
    Sie hatten noch viele weitere gute Ideen, und die Debatte zog sich in die Länge. Endlich leuchtete der oberste Flikker auf. Da sie sich nicht einigen könnten, erklärte er, würden sie die Käufer entscheiden lassen. Der Junge sollte versteigert werden.
    Die anderen murrten, die Versteigerung fand offenbar an einem weit entfernten Ort statt. Aber der Häuptling hatte gesprochen, und sie gehorchten.
    Bald war Pazel wieder auf dem Wasser unterwegs, diesmal lag er auf dem Boden eines schmalen Bootes, einer Mischung aus Gondel und altersschwachem Fischerkahn. Die Entführer hatten ihre Plattfüße auf ihn gestellt und stakten durch einen langen, dunklen, feuchten Tunnel. Pazel konnte sich kaum vorstellen, wofür er ursprünglich gebaut worden war, es handelte sich jedenfalls um einen der Geheimgänge, durch die die Flikker Kinder in die Stadt hinein- und wieder hinausschmuggelten. Sie umrundeten Biegungen,

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