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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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diese Bereiche, und kein Gefangener denkt auch nur im Traum an Flucht. Eine Etage nennt der Vorsteher ›Das Stockwerk ohne Gesicht‹, denn dort hausen all jene, die ihre Identität verloren haben, bei denen sie zweifelhaft ist oder von denen das Reich wünscht, dass die Welt sie vergisst.
    Es dauerte lange, bis wir den versprochenen frischen Wind spürten, aber endlich wurde eine weitere Tür entriegelt, und wir taumelten hinaus auf den Gipfel der Insel. Sie ist von Osten nach Westen etwa sechs Meilen lang und besteht nur aus Staub und nacktem Fels. Wir sahen die Steinbrüche, wo die Männer in sengender Sonne schufteten, und wir sahen den Galgen, wo ein neuer Unruhestifter baumelte wie ein Bündel Lumpen. Und am anderen Ende der Insel stand auf einer Anhöhe eine Festung mit einem kleinen Ziertürmchen.
    »Ist das Ihre Residenz?«, fragte Drellarek.
    »Oh nein!« Der Vorsteher lachte nervös. »Das ist das … Verbotene Haus. Es war ursprünglich die Wohnung des Gefängnisvorstehers, aber seit dem Krieg … seit dem Untergang der Lythra … Sie verstehen, dass ich von diesem Gebäude und seiner besonderen Verwendung nur ungern spreche? Aber ich werde Sie schon bald dorthin bringen. Kommen Sie, meine Freunde, das Essen ist serviert.«
    »Bringen Sie uns jetzt hin«, verlangte Ott. »Wir speisen ruhiger, wenn wir wissen, dass wir den weiten Weg nicht umsonst gemacht haben.«
    »Ich kann Ihnen versichern …«
    »Sparen Sie sich die Mühe«, unterbrach ihn Ott. »Zeigen Sie uns den S …« {2} * Eine kleine Kutsche fuhr vor. Vorne und hinten von berittenen Wachen begleitet, holperten wir schweigend auf das Gebäude zu. Ein Heer von halbnackten Gefangenen begaffte uns von allen Seiten.
    Die Festung war mit steinernen Geiern, Murten, Schädeln, Kobras und allen Todessymbolen geschmückt, die man sich nur denken kann. Der Vorsteher deutete auf einen Toten, der, mit Pfeilen gespickt, auf dem Boden lag und alle viere von sich streckte. »Die Wärter würden sich sogar gegenseitig erschießen, wenn sich einer ohne Erlaubnis zu nahe heranwagte«, sagte er stolz. »Wir lassen die Leichen offen liegen, bis sich die Vögel daran satt gefressen haben. Da sind wir, meine Herren.«
    Die Wärter waren Turach wie Drellarek (er selbst hatte einige von ihnen in Etherhorde ausgebildet), sie hatten ihre Armbrüste schussbereit, zu ihren Füßen lagen sabbernde Hunde. Nachdem sie uns gründlich durchsucht und uns alle Waffen abgenommen hatten, durfte die Kutsche durch das Tor einfahren.
    Innerhalb der Festung – ein Paradies. Über grünen Rasen gelangte man zu einer Gruppe Zitronenbäume mit duftenden Blüten. Dahinter Tempelbäume und Zedern, ein Gewürzgarten, in dem die Pfauen frei herumstolzierten. Vor einer Schieferterrasse öffnete sich ein kobaltblaues Wasserbecken, in dem eine junge Sklavin ihre Füße badete. Bei unserem Anblick flüchtete sie wie ein scheues Reh, und wir folgten ihr, vorbei an einer Kegelbahn mit silbernen Kegeln, einem Glastisch mit einem Haufen Granatäpfeln und einer Statue des Babqri-Kindes. Irgendwo spielte eine Fiedel. Auf der anderen Seite des Gartens waren zwei Köche damit beschäftigt, ein Schwein zu braten.
    »Das alles … für ihn?«, fragte ich ungläubig.
    »Natürlich nicht!«, gab der Vorsteher zurück. »Vergessen Sie nicht, er hat zwei Söhne.«
    Wir erreichten die Treppe zum Turm, aber bevor wir hinaufsteigen konnten, flog die Tür auf, und ein etwa zwanzigjähriger Mann in einem schmutzigen gelben Gewand stürmte heraus und deutete auf den Gefängnisvorsteher.
    »Kaninchen!«, kreischte er mit einer Stimme wie ein altes Weib. »Sie haben es versprochen.«
    Der Vorsteher zuckte zusammen. »Königliche Hoheit, ich habe versprochen, es zu versuchen. Meine Männer sind in diesem Moment überall auf Licherog auf Kaninchenjagd. Aber ich fürchte, wir haben sie schon alle aufgegessen.«
    Der Mann sah uns Unterstützung heischend an. »Er lügt doch immer! Abwechslung! Mehr verlange ich nicht! Wie sollen wir denn Jahr für Jahr mit den immergleichen fünf Fleischsorten leben? Und dass die Insel durchsetzt ist von Kaninchenbauen, sieht ein Blinder!«
    »Die Insel ist ein Felsen, Königliche Hoheit. Und jetzt muss ich das Thema wechseln. Wir haben wichtige Gäste. Wären Sie so freundlich, Ihrem königlichen Vater …«
    »Göttlichen!«
    »… zu sagen, dass ihn der Kapitän des Großen Schiffes um eine Audienz bittet?«
    Der Mann starrte ihn mit offenem Mund an. Dann kreuzte er, langsam und

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