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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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bedeutungsvoll, die Arme vor der Brust. »Keine Audienz!«, sagte er. »Bringen Sie die Leute wieder weg, Vorsteher. Ich bin unzufrieden mit Ihnen.«
    »Aber diese Reisenden …«
    »Ist mein Vater nicht ein Gott?«
    Der Vorsteher wirkte so, als hätte er diesen Augenblick von Geburt an gefürchtet. Er sah mich an, als hoffte er, ich wüsste die Antwort auf diese Frage. Doch dann sprang Ott die Stufen hinauf. Der Mann schrie auf. Ott stieß ihn beiseite wie einen Besen und verschwand durch die Tür. Wir hörten ihn die Innentreppe hinauflaufen.
    Der Turm hat vier Stockwerke. Im ersten stand ein Tisch mit einem halb aufgegessenen Braten und einem zerbrochenen Teller, und unter dem Tischtuch lugte die junge Sklavin hervor.
    Das zweite Stockwerk war so etwas wie ein Spielzimmer. Dort standen Staffeleien mit schauderhaft schlechten Bildern, einige Steinklumpen lagen herum, die vielleicht Skulpturen hätten werden sollen, es gab einen Flügel, und auf dem Boden saß ein zweiter gelb gekleideter Mann und hielt sich den Kopf. Neben ihm lag eine zerbrochene Fiedel. Ott hatte nur eine halbe Minute gebraucht, um die schrecklichen Söhne des S … zu zähmen.
    »Sehen Sie, wie jung sie noch sind?«, fragte der Vorsteher leise. »Das verdanken sie Arunis, dem alten Magier des Königs. Wenn sie ihn ärgerten, versetzte er sie für Tage oder gar Wochen in einen Zauberschlaf. Einmal schliefen sie drei Jahre – und danach rannten sie einen Monat lang herum wie ausgelassene Welpen. Aber es ist ein magischer Schlaf, denn in dieser Zeit altern sie nicht. Sie müssten sich langsam den fünfzig nähern, aber sie sind nicht einmal halb so alt.«
    »Gibt es keine Möglichkeit, sie zu wecken?«, fragte ich.
    »Ihr Vater hat eine gefunden. Er hat ihre Kleider in Brand gesteckt.«
    »Bei Rins Zähnen!«
    »Deshalb weigern sie sich jetzt, noch etwas anderes ah diese Gewänder zu tragen. Die lassen sich nämlich sofort abwerfen.«
    Im dritten Stock befand sich eine Bibliothek mit verschimmelten Büchern in Mzithrin-Schrift. Wir eilten weiter zum nächsten, dem obersten Stockwerk. Ein elegantes Schlafgemach lag vor uns, mit großen Fenstern, die offen standen und den Meereswind hereinließen. Zur Linken stand Sandor Ott, steif wie ein Stock, und spielte mit einer scharfkantigen Scherbe des zerbrochenen Tellers. Aus seinen Zügen strahlte eine unsägliche Begeisterung. Und ihm gegenüber stand der S …
    Er stand mit leeren Händen am Fenster und blickte den Meister der Spione fest an. Von seiner Fratze, seinen monströsen Narben habe ich bereits geschrieben, aber erwähnte ich auch seine Augen? Sie sind rötlich, als starrte er ständig durch jenen Blutvorhang, mit dem er beinahe die ganze Welt überzogen hätte. Ich wusste, dass er hier sein würde, und doch überfiel mich eine ehrfürchtige Scheu. Diese Hände hatten Fürsten erwürgt. Dieser Mund hatte ganze Länder überredet, sich an einem wahnwitzigen Krieg zu beteiligen. Dieses Wunder an Mordgier war jetzt zum Werkzeug geworden, die Frage war nur, für wen? Für den Kaiser? Für Sandor Ott? Oder für mich?
    Der S … sah das alles andersherum, Vater. Er hielt uns für sein Werkzeug.
    »Du kommst spät«, brach er grollend das Schweigen. »Zu Mittwinter habe ich begonnen, meinen Willen über die Nelu Peren zu schicken und dich zu rufen. Jetzt endlich kommst du, nachdem das Jahr halb vergangen und die Weiße Flotte wieder in See gestochen ist. Warum lässt du deinen Herrn so lange warten?«
    Ich kenne Sandor Ott seit Jahrzehnten, Vater, aber ich habe noch nie erlebt, dass er Angst hatte. Er atmete schwer, und nicht wegen der Anstrengung des Treppensteigens. Dennoch trat er vor und sprach mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Elender Wicht!«, sagte er. »Wenn ein Teil von dir noch frei ist vom Wahnsinn, so höre mich an: In meinen Händen bist du kein Gott. Du bist nur ein Wurm. Und ich bin der Fischer, der den Wurm an seinen Haken steckt! Wenn du zappelst, tust du es für mich. Wenn du am Leben bleibst, dann nur, weil ich es so will. Erregst du auch nur wegen der geringsten Kleinigkeit mein Missfallen, dann werfe ich dich ins Meer, um dir zu beweisen, dass du sterblich bist!«
    »Tatsächlich?«, fragte der S … »Nach vierzig Jahren?«
    Niemand antwortete. Ott und der S … belauerten sich wie zwei alte Wölfe, von denen jeder darauf wartet, dass der andere springt. Dann streifte Seine Abscheulichkeit uns zum ersten Mal mit einem Blick. Doch er verzog keine Miene. Wir waren seiner

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