Windkämpfer
»Millionen von Toten. Verbrannte Städte, Legionen von Soldaten, die auf dem Schlachtfeld fallen oder mit der Flotte ertrinken. Natürlich wird auch der Schaggat sterben – diesmal werden die Mzithrin-Könige ganz sichergehen. Aber sein Tod wird sie teuer zu stehen kommen. Sie werden nicht mehr die Kraft haben, zu verhindern, dass Arqual die Herrenlosen Lande an sich reißt. Und Magad wird sie an sich reißen – alle, binnen ein oder zwei Jahren.«
»Das ist, das ist … barbarisch!«, rief Neeps.
Taliktrum lachte. »Und es ist erst der Anfang. Wenn Arqual mit der Zeit immer mächtiger wird und sein Feind verkrüppelt am Boden liegt – liegt es nicht auf der Hand?«
»Das Mzithrin? Arqual würde sogar das Mzithrin selbst angreifen?«
»Ein paar Irre träumen davon«, sagte Diadrelu. »Besonders die Rin-Fanatiker, die wollen, dass die Götzenbilder des Alten Glaubens zerschlagen werden, dass die Sekte zerstört und der Glaube an Rin der ganzen Welt aufgezwungen wird.«
»›Mein Gesetz ist der Friede und mein Reich die Brüderlichkeit‹«, zitierte Taliktrum höhnisch. »›Deshalb sollt ihr wohnen in meinem Reich und halten mein Gesetz.‹ Was für wohlklingende Worte aus dem Mund von Dieben und Mördern. Ist es nicht wunderbar, ein Riese zu sein? Zum auserwählten Volk zu gehören, zu den Herren von Alifros auf ihrem Thron aus Totenschädeln?«
Neeps richtete sich auf und fuhr ihn wütend an. »Wenigstens bohren wir keine Löcher in Schiffe, die voll sind mit Frauen und Kindern, und lassen sie auf den Meeresgrund sinken!«
»Ihr schießt lieber mit Kanonen«, gab Taliktrum zurück. »Leben hat für euresgleichen keinen Wert.«
»Was weißt du schon, du gehässiger kleiner …«
»Neeps!«, schrie Pazel.
»Was ich weiß?«, fragte Taliktrum mit drohender Schärfe in der Stimme. »Soll ich dir etwas über deine Geschichte erzählen, Arqualier?«
»Nein, das sollst du nicht!«, rief Diadrelu und sprang zwischen die beiden. »Und er wird dir auch nicht erklären, er wäre lieber eine Made als ein Sohn Arquals. Wie kann man nur so töricht sein! Während wir uns bekämpfen, werden unsere Feinde immer stärker! Und sie sind bereits stark – stärker, als du ahnst, Taliktrum!«
Ihr Neffe sah sie an und wartete auf eine Erklärung. Ein Mondstrahl fiel auf Diadrelus Gesicht, und Pazel sah die Angst in ihren Augen.
Sie holte tief Luft. »Tascha hegt keinen Verdacht gegen Sandor Ott. Ihr Vater hegt keinen Verdacht gegen Syrarys. Und niemand hegt einen Verdacht gegen den gefährlichsten Mann überhaupt an Bord, den Mann, der uns alle an diesen Ort geführt hat.«
»Du sprichst schon wieder von Ket, nicht wahr?«, fragte Pazel.
»Ket ist nur der Name, unter dem er auf der Chathrand auftritt«, sagte Diadrelu. »In den schwarzen Annalen der Geschichte ist er mit dem Namen Arunis verzeichnet.«
Taliktrum lachte laut auf.
Dri fuhr fort, ohne ihn zu beachten. »Arunis war der Zauberer des Schaggat. Er war von jeher die diabolische Hand hinter seinen Taten. Die meisten glauben, dass er selbst jene Irrlehre innerhalb des Alten Glaubens erfand, die den Aufstieg des Gottkönigs legitimierte. Wäre es diesem Wahnsinnigen im letzten Krieg gelungen, die anderen Könige zu besiegen, dann wäre Arunis heute der wahre Herrscher des Mzithrin.
Als der Schaggat und seine Söhne aus der sinkenden Lythra gerettet wurden, holte man auch den Zauberer heraus. Alle vier wurden auf Licherog versteckt. Aber Arunis versuchte zu fliehen, und einmal wäre es ihm fast geglückt. Danach entschied Sandor Ott, man könne es nicht wagen, ihn am Leben zu lassen. Arunis wurde auf der Gefängnisinsel gehängt, nachdem er seine Wärter, die Götter und das ganze Universum verflucht hatte. Man ließ seinen Leichnam neun Tage am Galgen, dann schnitt man ihn in Stücke und warf ihn ins Meer – und dennoch ist er noch am Leben. Irgendwie hat er überlebt.«
Pazel schaute von einem Ixchel zum anderen. »Und dieser Arunis … ist an Bord der Chathrand?«
»Nein«, sagte Taliktrum schroff.
»Doch«, widersprach Dri. »Jedenfalls war er dort, bis er gestern an Land ging, um in diesen Sumpf zu fahren. Rose, Ott, Drellarek, Uskins – von diesen Schurken hegt keiner einen Verdacht. Auch wir Ixchel waren arglos. Wir kamen unter Einsatz aller unserer Kräfte Otts Plänen auf die Spur, und die Entdeckung war so erschütternd, als hätten wir ein Loch unter einem Festsaal gefunden. Doch mein Herz sagt mir, dass es unter diesem Loch noch ein weiteres
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