Windkämpfer
habe im Leben noch nie so schlechte Schützen gesehen. Kein einziger Pfeil hat euch auch nur gestreift! Trotzdem sollte ich sie wohl lieber rufen.«
Er richtete sich auf und legte die Hände an den Mund. Doch kein Laut kam über seine Lippen, stattdessen keuchte er auf und krümmte sich. Neeps, der früher als Pazel erraten hatte, wofür Druffle sich schämte, hatte einen Stein aus dem Schlamm gegraben und ihn mit voller Wucht gegen Druffles Seite geschleudert. Es war ein größerer Brocken, und Druffle wankte und warf ihm einen hasserfüllten Blick zu.
Es war ihre einzige Chance. Pazel tastete nach einer Waffe, fand einen abgebrochenen Ast und holte weit damit aus. Der Ast krachte auf Druffles Rücken nieder, und der drahtige Mann verlor das Gleichgewicht und fluchte. Dann stach er zu. Doch die Klinge verfehlte Pazels Brust um einen Zoll. Neeps hatte keinen zweiten Stein gefunden und musste sich damit begnügen, mit Schlamm zu werfen. Pazel schwang von neuem seinen Ast, aber Druffle wich geschmeidig wie eine Schlange aus und zog ihm den Griff seines Entermessers über den Schädel. Im nächsten Moment spürte Pazel die Klinge an seiner Kehle.
Niemand bewegte sich. Druffle war Blut ins Auge gelaufen, er wischte es ab.
»Ich habe euch beide richtig gern«, sagte er. »Ganz ehrlich, meine Lieben, ich habe euch gern. Aber Befehl ist Befehl. Der ›Kunde‹ sagt, ich muss jeden Jungen töten, der die Hand gegen mich erhebt. Als Warnung für die anderen.«
»Als Warnung?«, flüsterte Neeps.
»Ganz richtig, Bursche.«
»Aber wir sind ganz allein hier«, flüsterte Pazel.
»Sie könnten doch einfach nur sagen, Sie hätten uns getötet«, schlug Neeps vor.
Druffle sah ihn tief gekränkt an. »Du meinst, ich soll lügen? Schämt euch, ihr Burschen! Im Geschäftsleben ist ein Wort bindend. Wenn ihr das nicht lernt, werdet ihr es nicht weit bringen.«
Er hob das Entermesser. Doch anstatt es auf Pazels Kehle niedersausen zu lassen, hob er den Kopf und schaute zum Horizont, als spüre er einem Gedanken nach. Dann klappte ihm der Kiefer herunter, und er stürzte rücklings in den Sumpf.
Neeps sprang vor und stieß mit dem Fuß das Messer weg. »Er ist bewusstlos! Was hat er nur? Womöglich stirbt er?«
Pazel tätschelte dem Händler die Wange. Druffle zuckte nicht mit der Wimper. Pazel hielt ihm das Ohr an den Mund.
»Ich glaube, er atmet nicht mehr, Neeps.«
»Ich bin ein Mörder«, flüsterte Neeps. »Mein Stein muss ihm die Leber zerschlagen haben!«
In diesem Augenblick war das Flattern eines Vogels zu hören, überrascht sprangen die Jungen zurück. Sie konnten kaum fassen, was sie sahen: eine Rauchschwalbe mit dem Gesicht einer Frau. Das Tierchen fegte tief über ihre Köpfe hinweg und landete, wild mit den Flügeln schlagend, auf Druffles Rücken.
»Du bist kein Mörder«, sagte es, an Neeps gewandt. »Und er ist auch nicht tot.«
30
A UF DEN S PUREN DES Z AUBERERS
26. Modoli 941
74. Tag nach Etherhorde
»Diadrelu!«, rief Pazel.
Sie war es tatsächlich. Sie steckte in einem bizarren Federkleid, das ihre Arme in Flügel verwandelte und sie wie einen schwarzen Vogel aussehen ließ. Neeps war sprachlos. In seinem ganzen Leben hatte er noch keinen Ixchel gesehen, erst recht keinen, der fliegen konnte.
»Was machst du hier?«, rief Pazel.
»Wir retten euch das Leben«, antwortete eine zweite Stimme. »Liegt das nicht auf der Hand?«
Pazel erkannte die Stimme, sie gehörte Taliktrum, dem jüngeren Ixchel. Und da stieß er auch schon in der gleichen Aufmachung wie Diadrelu auf sie herab. Pazel zuckte zurück, er hatte nicht vergessen, wie Taliktrum mit seinem Messer hinter seinem Ohr herumgesäbelt hatte.
Diadrelu wandte sich ihm zu. »Du hast verraten, dass wir an Bord der Chathrand sind«, sagte sie streng. Dann wurde ihre Stimme sanfter. »Aber du hast es nur getan, um uns wissen zu lassen, dass einer von den Unseren in Ketten lag, und deshalb sei dir verziehen.«
»Was redet sie da?«, schrie Neeps, der offenbar immer noch fürchtete, gleich gebissen zu werden.
»Das ist eine lange Geschichte«, bemerkte Pazel.
»So lang nun auch wieder nicht«, sagte Taliktrum achselzuckend. »Er hat meiner Tante sein Wort gegeben. Er hat es nicht gehalten. Einige von uns mussten deshalb sterben, und wenn uns auch das Mädchen verraten hat, bevor sie vom Schiff flüchtete, schlachten Rose und seine Mörder womöglich gerade unseren gesamten Clan ab. Das ist eigentlich schon alles.«
»Tascha ist
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