Windkämpfer
keinen guten Zeitpunkt.« Auch Pazel strahlte über das ganze Gesicht.
»Du elender Hund!«, sagte Neeps. »Arunis hast du es wirklich gegeben! Als ich ihn das letzte Mal sah, strampelte er im Wasser herum und schrie etwas von einem Rotrochen. Hat deine Murte diesen Rochen geschickt?«
Pazels Lächeln erlosch. Seine Murte. Warum war sie verschwunden? War das die Art ihres Volkes zu sterben? Oder konnte man Murten nur sehen, wenn man unter ihrem Bann stand – oder umgekehrt?
Er kniff sich rasch in die Brust. Die Muschel war noch da.
»Es muss Klyst gewesen sein«, sagte er. »Aber was ist denn eigentlich geschehen? Tascha, warst das wirklich du in diesem Boot? Du und …«
Er fuhr herum. Hercól stand neben dem Mast. Der Tholjassaner lächelte ihm herzlich zu.
»Ja, Pazel, auch ich bin am Leben – und das verdanke ich dir. Hättest du nicht meine Brüder alarmiert, ich wäre in Uturphe gestorben, wie Sandor Ott es geplant hatte.«
Dann erklärte er dem verwirrten Pazel, der Konsul von Tholjassa sei sofort tätig geworden, als er von Hercóls Notlage erfuhr, und habe ihn am nächsten Morgen in einem Armenhaus in Uturphe ausfindig gemacht. Die Messerwunde habe sich bereits entzündet gehabt. Der Konsul habe dafür gesorgt, dass die Wunde gesäubert und verbunden wurde. Wenig später sei Hercól wieder zu sich gekommen und habe seinen tholjassanischen Landsmann angefleht, die Stadt nach Pazel abzusuchen.
»Er hat neun Männer dazu abgestellt«, sagte Hercól, »und die Spur führte sie auch alsbald zu dem falschen Wirtshaus am Schwarzbrunnen und zu den Flikkern. Die flüchteten vor meinen Brüdern in ihre Löcher und Kanäle, aber ein Tholjassaner lässt sich nicht so leicht von der Fährte abbringen. Dich und Neeps hatte man leider bereits ins Landesinnere geschafft, zum Sklavenmarkt. Aber dafür haben meine Brüder das hier gefunden.«
Hercól streckte ihm die flache Hand entgegen, und Pazel erkannte voller Staunen die Geschenke seiner Eltern, das Messer und den Elfenbeinwal.
»Danke, Hercól«, sagte er tief bewegt und drückte die beiden Gegenstände an seine Brust.
Natürlich wollte Pazel auch wissen, wie es den anderen ergangen war. Sie bemühten sich sehr um eine verständliche Schilderung, aber dank der vielen Erzähler entstand ein heilloses Flickwerk aus Einzelheiten und Anekdoten, und er musste immer wieder mit einfachen Fragen unterbrechen, bis sich endlich folgendes Bild ergab: Hercól hatte sich mit seiner Wunde einem Geistheiler von Slugdra anvertraut (und seine Blitzkur überlebt). Dann hatte er Otts Männer durch die Unterwelt von Uturphe gejagt, drei getötet und die anderen verscheucht, denn es waren nur kleine Spitzel gewesen, die nie ein Wort- oder Schwertgefecht mit einem für die Geheime Faust ausgebildeten Kämpfer geführt hatten. Nachdem er dabei erfahren hatte, dass auch Chadfallow auf der Todesliste stand, hatte er das Schiff abgepasst, auf dem der Doktor fuhr, und ihn davon abgehalten, auch nur eine einzige Nacht in Uturphe zu verbringen. Gemeinsam hatten sich die Männer dann ein Schiff gesucht, das nach Simja fuhr. Es war voll mit Köchen, Näherinnen, Maurern, Bänkelsängern, Hundefängern und Fachleuten für die Vernichtung von Wespen gewesen, die alle behaupteten, in irgendeiner Weise mit Taschas Hochzeit zu tun zu haben. Als sie in Ormael an Land gingen, hatte die Chathrand bereits im Hafen gelegen, und die ganze Stadt war in Aufruhr gewesen, weil Tascha in der Nacht zuvor verschwunden war.
Otts Spione durchkämmten bereits die Stadt. Aber wie es für jeden Tholjassaner in Not selbstverständlich ist, hatte sich Hercól auch diesmal an seine Landsleute gewandt. Wie es der Zufall wollte, schickten sich mehrere Tholjassaner, die einen Hilferuf erhalten hatten, gerade an, nach Norden zum Krebsmoor zu reiten. Dem Brief zufolge plünderte eine Volpek’ Brigg – die Hemeddrin, auf der sie jetzt fuhren – seit vierzehn Tagen an der Küste. Die Männer gingen in wehrlosen Dörfern an Land und entführten halbwüchsige Jungen und Mädchen. Zuletzt war das Schiff gesichtet worden, als es geradewegs auf die Geisterküste zuhielt.
»Ott hatte kein Interesse an tholjassanischen Jugendlichen«, sagte Hercól, »ich aber schon. Und als ich erfuhr, dass der Seifenhändler Ket, der auffallend häufig und bei sehr sonderbaren Gelegenheiten auftauchte, die Chathrand verlassen hatte und sich ebenfalls auf dem Weg nach Norden befand, wusste ich, dass das kein Zufall mehr war. Der Doktor
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