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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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machte sich daran, den Wolf damit zu umwickeln. Im Knotenknüpfen war sie sehr geschickt – Pazel wollte sich lieber nicht vorstellen, woran sie geübt hatte. Zwei Seile legte sie um den Kopf der Statue, zwei weitere um die Mitte. Mit dem letzten umschlang sie seine Beine.
    Als sie fertig war, zog Pazel zweimal kräftig an den Seilen. Die Volpek reagierten sofort. Die Leinen spannten sich, verrutschten ein wenig, spannten sich noch einmal. Aber der Wolf bewegte sich nicht. Pazel begriff, wie unheimlich das war. Mit fünf Seilen und den Flaschenzügen müssten die Männer ein eisernes Flusspferd heben können. Er schaute auf. Weitere Volpek sprangen vom Schiff durch den Tauchschacht in die Kugel. Gleich darauf spannten sich die Seile abermals.
    Der Wolf rutschte einen, dann zwei Zoll nach vorne. Die Seile waren straff wie Bogensehnen. Endlich löste sich die Figur so langsam vom Meeresgrund, als risse man einen Baum aus der Erde. Zuerst schaukelte sie aus dem Korallenbogen, dann drehte sie sich langsam um sich selbst und stieg nach oben.
    Pazel stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Dein Volk kann bleiben«, sagte er. »Ehe ihr euch verseht, sind diese Männer verschwunden. Sie alle fürchten die Geisterküste. Sie können es kaum erwarten, von hier wegzukommen.«
    Ruckweise und immer wieder zurückfallend, aber doch unaufhaltsam schwebte der Wolf der Bathysphäre entgegen.
    »Ich weiß, dass du nicht lügst«, sagte Klyst und nahm seine Hand. »Um das zu erreichen, bist du gekommen, dazu hat der Herr des Meeres dich zu uns geschickt. Und deshalb ist es mein Schicksal, dich zu lieben, ein Fluch, der keiner ist.«
    Pazel war froh, dass es so lange dauerte, den Wolf hochzuziehen, denn er hatte keine Ahnung, wie er Klyst dazu bewegen sollte, die Bande des Zaubers zu brechen. Mit einfachen Argumenten (er könne keine anderen Menschen essen, seine Ripestrie sei nur ein fehlgeschlagener Bann) würde er nicht weiterkommen. Er musste schon das schwerste Geschütz auffahren: das Geständnis, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte und das auch gar nicht wollte.
    Dann musste er ihr verbieten, sich selbst zu verletzen.
    Schweigend sahen sie zu, wie der Rote Wolf in der Kugel verschwand. Dann wandte Klyst sich um und führte ihn unter den Bogen, der ihn auf einmal beklemmend an ein Tempeltor erinnerte. Sie knieten nieder. Pazels Magen wurde hart wie Stein. Er musste ihr die Wahrheit sagen. Doch sie strahlte ihn an und schob seine Hände in ihr Haar – dieses fremdartige dichte Haar mit den winzigen eingeflochtenen Kulri-Muscheln. Es fühlte sich an, als halte er das Meer selbst in Händen.
    »Neunhundert Muscheln in meinem Haar«, sagte sie. »Alle makellos, weiß und rein. So schickt es sich für alle Murten-Mädchen. Das Gebot der Reinheit ist sehr streng. Aber eine Muschel halte ich geheim. Sie hat ein Rosenherz. Schau.«
    Er zog die Hände zurück. Und obwohl er nicht zugegriffen, nichts herausgezerrt hatte, lag sie auf seiner Handfläche. Eine Muschel wie alle anderen, aber an der Innenseite blutrot. Sie nahm sie ihm ab und hielt sie so lange in der Hand, bis er sich fragte, ob sie es sich wohl anders überlegt hatte. Dann streckte sie die Hand aus und drückte die Muschel dicht unter seinem Schlüsselbein an seine Brust.
    Die Muschel verschwand.
    »Wo ist sie hin? Hast du sie fallen lassen?«
    »Kneife dich ins Fleisch«, sagte sie.
    Pazel nahm da, wo ihn die Muschel berührt hatte, eine Hautfalte zwischen die Finger. »Sie ist in mir«, flüsterte er.
    Sie nickte. »Eine Muschel ist ein schwimmendes Haus. Ich habe dich zu meinem heimlichen Haus ernannt und dir mein heimliches Herz geschenkt. Wenn du willst, dass ich aufhöre, dich zu lieben, musst du dir die Muschel aus dem Fleisch schneiden. Sonst bin ich dein. Willst du mich heiraten, Land-Junge, willst du dich von Seesternen und Korallenwein nähren, willst du die Lieder meiner Vorfahren lernen und die zahllosen Wunder der Murten-Welt schauen?«
    Sie strich ihm über die Wange. Sein Herz schlug so hart, dass er fürchtete, die Sinne könnten ihm schwinden. Er wusste nicht mehr, was er wollte. Bilder von Tascha und Neeps, von seiner Familie, von Königen und Zauberern zogen vor seinem inneren Auge vorbei wie die Zeichnungen in einem Bilderbuch oder wie ein Traum, der bereits in Vergessenheit geriet. Nichts war mehr wirklich, nur ihre Augen.
    Ein zärtliches Lächeln breitete sich über Klysts Züge. Er spürte, wie auch sein Gesicht sich zu einem Lächeln verzog

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