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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer
Autoren: Robert Redick
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sie sich versah, hatte er auch sie hochgehoben und schleuderte sie in die Takelage des Kreuzmasts zurück. Tascha schrie auf, bekam ein Want zu fassen und drehte sich um, um sich zu erkundigen, was ihm eigentlich einfiele. Doch die Frage blieb ihr in der Kehle stecken. Der alte Hüne mit seiner Axt machte gerade einen Riesensatz und landete vor Schmerzen ächzend neben ihr in den Webleinen.
    »Hinauf! Mir nach!«, fauchte er, und sie kletterten gemeinsam weiter.
    Auf dem Mast war niemand. »Ich könnte das Kommando geben«, sagte er, »aber dafür reicht die greimige Zeit nicht mehr! In wenigen Minuten hat der Höllenbastard mein Schiff in seiner Gewalt! Klettern!«
    Schwitzend und fluchend stieg er voraus bis zum Kreuzmarssegel, etwa vierzig Fuß über dem Deck. Doch dabei ließen sie es nicht bewenden, sondern zwängten sich durch das Mannloch und kletterten weiter, immer weiter, der Sonne entgegen, bis sie bei achtzig Fuß die Bramrah erreichten, jenen massiven Balken, an dem das hinterste Großsegel der Chathrand angeschlagen war.
    »Schau bloß nicht nach unten, bevor ich es sage, Mädel!«
    Der Kapitän kämpfte sich auf den Fußlieken nach draußen. Sein Gesicht war vor Wut so rot, dass sie schon fürchtete, er würde platzen. Sie folgte ihm, tastete sich mit zitternden Händen wie ein Wurm die Rah entlang. Das äußerste Ende war ihr Ziel.
    Jedenfalls wäre es ohne die Leesegel das äußerste Ende gewesen. Doch um auch noch den letzten Windhauch einzufangen, hatte Rose befohlen, die Takelage um eine zweite Rah zu verlängern, weitere zwanzig Fuß Holz, an die man ein Segel anschlagen konnte. Es war vergeblich gewesen, aber Rah und Segel waren noch da. Rose schwang seine Axt.
    »Zuerst schneidest du die Seitenlieken durch! Die Rah muss frei fallen können!«
    Sie verstand ihn nicht; sie wusste nicht, was sie schneiden oder wie sie überhaupt schneiden sollte, ohne sich zu Tode zu stürzen. Ihr war schwindlig. Rose brüllte sie an. Doch als er auf bestimmte Seile deutete, schaffte sie es immerhin, an ihnen herumzusäbeln, während er weiter draußen darauf einhackte. Endlich löste sich das Segel und fiel ab.
    Nun warf Rose seine Axt ins Meer und deutete auf zwei Stahlklampen. »Aufschrauben oben und unten!«, rief er. »Lockern!«
    Das fiel ihr leichter. Sie hatte ihre Schraube schneller draußen als er die seine. Dann schaute sie nach unten und begriff in diesem Moment, was Rose vorhatte.
    Die Leesegelrah ragte über die Reling der Chathrand hinaus. Sie reichte, genauer gesagt, bis auf zehn Fuß an das Rettungsboot heran.
    »Sie ist so weit«, sagte Rose. »Aber wir müssen etwas nachhelfen, Mädel. Leg deinen Arm um die Bram, so. Und jetzt geh in die Hocke und fass deine eigene Hand von unten.« Er machte es vor, und als Tascha so weit war, löste er die zweite Klampe.
    Jetzt war der zwanzig Fuß lange Tragebalken frei. Er ruhte nur noch auf der eigentlichen Rah und wurde lediglich von seinem eigenen Gewicht und der Kraft ihres und seines Arms gehalten.
    »Ich zähle bis drei, dann schieben wir ihn raus. Ganz gerade, immer schön gerade! Wie meine Harpune, Mädel. Verstanden?«
    Sie nickte. »Ich verstehe. Wir holen ihn uns.«
    Rose zählte. Die Spieren waren glatt geschmirgelt und mit einer Teerschicht versehen, die in der Hitze fast kochte. Auf ›Drei!‹ schob sie mit aller Kraft, und Rose schob ebenfalls. Die Spiere schoss nach vorne und über das Rahende hinaus.
    Sie trudelte um die Längsachse nach unten. Die Männer, die an Deck um ihr Leben kämpften, sahen sie nicht kommen. Auch Arunis nicht. Nur der kleine Hund erblickte das hölzerne Geschoss und sprang mit erschrockenem Winseln ans andere Ende des Bootes.
    Beinahe hätte die Rah ihr Ziel verfehlt. Die eine Hälfte tauchte ins Meer. Doch die andere prallte gegen den Bug des Rettungsboots und zerschellte. Die kleine Nussschale stellte sich senkrecht, und Arunis wurde unsanft ins Wasser gekippt.
    »Und nun schau hinunter«, sagte Rose. »Beim Bauch der Götter, du bist ein kluges Kind.«
    Die Aaslinge waren in sich zusammengefallen.
    Seeleute und Soldaten brachen in rauen Jubel aus. Aber die Erleichterung war nur von kurzer Dauer.
    Ramachni kletterte wie ein Eichhörnchen den Großmast hinauf, schaute hinunter auf das Wasser und rief: »Er kommt! Werft sie über Bord! Wer nicht gehorcht, ist des Todes!«
    Diesmal gab es kein Zaudern. Alle Männer schleppten Volpek-Kadaver auf die andere Schiffsseite und warfen oder kippten sie über Bord. Sie
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