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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Stadt der Könige‹, vorgestellt. Nachdem er den Besucher mit seiner Frau Suthinia und seiner Tochter Neda bekanntgemacht hatte, hatte er auf Pazel gezeigt und verkündet: »Das ist mein Sohn, Chadfallow – ein heller Kopf, er ist zum Gelehrten geboren.« Pazel war bei diesem Lob knallrot geworden, dabei war es sein sehnlichster Wunsch, dereinst auf dem Schiff seines Vaters zu fahren.
    Chadfallow war einer der wenigen Arqualier, die sich nach dem Ende des Zweiten Seekriegs noch nach Ormael wagten. Seine tiefe Stimme und die vornehme, fremdländische Kleidung machten Pazel sprachlos vor Staunen. Noch Jahre später stellte er sich Arqual als ein Land voller freundlicher Herren im Wams vor.
    Sechs Monate nachdem Gregory Pathkendle den Doktor Chadfallow in seine Familie eingeführt hatte, stach der Kapitän zu einer Erkundungsfahrt in See und kehrte nie wieder zurück. Man nahm an, er sei bei einem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen. Die ganze Stadt war tief bestürzt. Seemannswitwen legten Geschenke vor die Tür: schwarze Spitzenschleier für Pazels Mutter und seine Schwester, ein schwarzes Halstuch für ihn selbst. Dann brachte ein Kauffahrer aus Rukmast die Nachricht, Pathkendles Boot sei im Golf von Thól gesichtet worden, inmitten einer mzithrinischen Kriegsschiff-Flottille. Es sei in einer anderen Farbe gestrichen gewesen und unter der schwarz-goldenen Flagge der Könige des Mzithrin gefahren.
    Chadfallow war inzwischen zum Sondergesandten des Kaisers in Ormael ernannt worden und residierte in einem prächtigen Haus in der Stadt. In diesen von Angst bestimmten Monaten besuchte er Pazels Familie häufig und versicherte ihnen stets, Gregory könnte durchaus noch am Leben sein, ein Gefangener von Piraten (›die vermehren sich im Golf wie die Aale‹) oder auch der Mzithrini. Pazels Schwester Neda fragte den Arzt, ob sein mächtiges Reich nicht Schiffe zu Gregorys Rettung aussenden könne. Darauf antwortete Chadfallow, die Könige des Mzithrin herrschten über ein Gebiet so groß wie ganz Arqual. Wenn man Schiffe ausschickte, um sie anzugreifen, würde niemand gerettet, aber viele weitere Väter müssten sterben.
    Dennoch waren seine Besuche für alle ein Trost. Pazels Mutter Suthinia lud ihn oft zum Essen ein, und hinterher küsste er ihr zum Dank die Hand. »Das Essen war so wundervoll wie die Köchin«, pflegte er zu sagen. Den Kindern war das peinlich. Suthinia mit ihrer olivbraunen Haut und den leuchtend grünen Augen war eine Schönheit, das war nicht zu bestreiten. Wie Chadfallow stammte sie nicht aus Ormael, sondern war mit einer Kaufmannstruppe, die mit Zimt und Kajal handelte, aus dem Hochland gekommen. Noch lange nach ihrer Hochzeit war sie den Nachbarn unheimlich. Eine Schönheit, nun ja, aber wie sie sich kleidete, und wie sie lachte …
    Chadfallows Herz hatte sie jedoch vom ersten Augenblick an gewonnen. In jenen Tagen galt seine Zuneigung auch Pazel, er lobte sein Talent für Sprachen und legte ihm eindringlich ans Herz, sein Arqualisch nicht zu vernachlässigen. Aus den Monaten wurden Jahre, vor der Küste wurden Kriegsschiffe vieler Nationen gesichtet, und Chadfallow musste oft zu Gesprächen mit seinem Kaiser nach Arqual reisen. Wenn er wieder nach Ormael kam, brachte er den Kindern Grammatiken und Wörterbücher mit: nützliche, wenn auch eher langweilige Geschenke.
    Dann wurden die Nachrichten von draußen zunehmend schlechter. Seeleute brachten Gerüchte von Blutbädern in fernen Landen mit, von kleinen Völkern, die von größeren überrannt wurden, vom Ausbau von Kriegsflotten. Und als die Ängste am größten waren, tauchte Pazels Vater plötzlich wieder auf.
    Im Morgengrauen fuhr sein altes Schiff, immer noch unter mzithrinischer Flagge, in einem verwegenen Manöver an der Bucht von Ormael vorbei und gab dabei einen Schuss nach dem anderen ab. Später wurde festgestellt, dass seine Geschütze kaum ein oder womöglich gar kein Ziel getroffen hatten, aber in der morgendlichen Verwirrung zweifelte niemand daran, dass die Stadt angegriffen würde.
    Ein ormalisches Schiff nahm prompt die Verfolgung auf. Kapitän Gregory kreuzte fast genau gegen den Wind nach Norden und lieferte seinen Verfolgern damit viele gute Gelegenheiten, seine Segel mit Kartätschenschrot zu durchsieben. Bald hing Gregorys Tuch in Fetzen herab. Offenbar hatte er auch Schwierigkeiten mit seiner Heckkanone: jedenfalls wurde auf die Verfolger kein einziger Schuss abgegeben. Es war ein kurzes Gefecht: Ormaels kleines

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