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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Männern zu, die Pazel festhielten. Doch bevor die ihn an den Pfahl binden konnten, drängte sich ein Arqual-Sergeant durch die Menge und packte ihn am Arm.
    »Der ist schon verkauft«, sagte er.
    Es war ein älterer Krieger, der bei jedem Schritt stöhnte. Er zerrte Pazel ans andere Ende des Sklavenmarkts, drehte sich dann um und sah den entsetzten Jungen an.
    »Schon mal zur See gefahren?«, fragte er.
    Pazel machte den Mund auf, brachte aber keinen Laut heraus. Er hatte seit zwei Tagen kein Wort mehr gesprochen.
    »Ich habe gefragt, ob du schon mal zur See gefahren bist.«
    »Zur See gefahren!«, stieß Pazel hervor. »Nein, Sir, noch nie. Mein Vater war Kapitän Gregory, aber er wollte nicht, dass ich Seemann werde. Er sagte, ich wäre zum Gelehrten geboren. Ich will mich nicht rühmen, Sir, aber ich spreche tatsächlich vier Sprachen und in dreien davon bin ich im Schreiben so gut, dass es für den Hofdienst ausreichen würde, außerdem beherrsche ich die höheren Rechenarten, und mein Vater wollte nicht, dass meine Begabung auf dem dreckigen Ozean vergeudet würde, wenn es doch Schulen gäbe, wo es mir übrigens …«
    Der Sergeant schlug ihn mit lederharter Hand ins Gesicht. »Die Schule ist vorbei, Bengel. Und jetzt hör mir gut zu: Du bist mit deinem Vater zur See gefahren, und du warst noch niemals seekrank. Wiederhole das.«
    »Ich … ich bin mit meinem Vater zur See gefahren, und ich war noch niemals seekrank.«
    Der Sergeant nickte streng. »Du bittest die alten Männer, die am Rettungsanker, dir die Grundlagen der Takelage und die Seemannsknoten, die Aufgaben an Bord, die Pfeifensignale und die verschiedenen Flaggen beizubringen. Du musst eine neue Sprache lernen, verstehst du? Die Sprache der Schiffe. Lerne sie schnell, du geborener Gelehrter, sonst kriegst du das Brandeisen doch noch zu spüren.«
    Dann drückte er Pazel einen Umschlag in die Hand. Er war aus feinem Papier mit Goldrand und trug ein Wachssiegel so rot wie ein Hahnenkamm und war in eleganter Schrift adressiert an:
     
    Kapitän Onnabik Faral
    Der Schwan
     
    »Den Brief gibst du Faral«, sagte der Sergeant. »Niemand anderem. Hörst du mir zu, Bengel?«
    »Ja, Sir!« Aber Pazel konnte den Blick nicht von dem Umschlag wenden. Die Handschrift kam ihm bekannt vor. Aber wer sollte ihm helfen? Wer konnte ihm helfen, wenn die Stadt in Flammen stand?
    Er blickte auf – und sah die Antwort. Auf der anderen Seite des Marktplatzes, an einem Tisch vor der Schenke der Austernfischer saß Doktor Ignus Chadfallow. In dieser schäbigen Umgebung wirkte er vornehmer denn je, wie ein Prinz, der sich unter die Lumpensammler verirrt hatte. Pazel wäre sofort zu ihm gelaufen, aber der Sergeant hielt ihn am Ellbogen fest.
    Der alte Soldat beugte sich über ihn und flüsterte ihm nicht unfreundlich ins Ohr: »Die See ist besser als die Ketten, mein Junge, aber wenn jemand sich zum Narren halten lässt, kann sie tödlich sein. Hüte dich, wenn du ein Lächeln siehst.«
    »Was für ein Lächeln?«
    »Das wirst du schon merken.«
    Damit schlurfte der Sergeant davon, und Pazel rannte zur Schenke. Aber Chadfallow saß nicht mehr am Tisch. Pazel stürmte ins Innere, doch dort fand er nur Soldaten und die üblichen leichten Mädchen, nur dass sie jetzt auf den Knien der Arqualier und nicht mehr der Ormalier saßen. Er ergriff die Flucht und rannte von der Schiffswerft zu den Pfählen und wieder zur Schenke zurück, aber Chadfallow war spurlos verschwunden, und er sollte ihn auch in Ormael nie wieder zu Gesicht bekommen. Doch auf dem Stuhl, wo der Arzt gesessen hatte, fand er den Elfenbeinwal seiner Mutter und das Schiffermesser – und jetzt war es so scharf geschliffen wie eine Rasierklinge.
     
    *     *     *
     
    Kapitän Faral nahm ihn an Bord, ohne Fragen zu stellen, und Pazel diente mehr als ein Jahr als Küchenhelfer und Kajütjunge auf dem Kauffahrer Schwan. Wie der Sergeant versprochen hatte, lehrten ihn die alten Männer die Bestandteile der Takelage, die Seemannsknoten und tausend unbekannte Wörter. Gangspill, Sprietsegel, Kompasshaus, Großbaum. Er lernte sie alle und lernte auch, welche Rolle sie in dem großen gemeinschaftlichen Kampf spielten, der sich Seefahrt nennt. Pazel war flink und hatte gute Manieren. Die Männer lachten über sein überkorrektes Arqual, wunderten sich aber, dass er keine Ahnung von den Sitten und Gebräuchen des Landes hatte. Ormalier neigen in der Regel mehr zum Mystizismus als zur Religiosität: Gregory Pathkendle

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