Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
Vom Netzwerk:
Gebilde, das Pazel je gesehen hatte.
    Es war ebenfalls eine Kugel, von der Größe einer Orange oder noch kleiner, aber man konnte sie nicht direkt ansehen. Es war, als wäre sie aus Dunkelheit gemacht. Die Oberfläche war nicht gegliedert – soweit man sagen konnte, war gar keine Oberfläche vorhanden, das Ding war nur schwarz und kalt. Und widernatürlich. Etwas in Pazels Seele, in seinen Knochen, in seinem Blut fühlte sich heftig davon abgestoßen. Es war ein Makel, eine Wunde in der Welt, überall auf dem Schiff sah man nur bleiche Gesichter.
    »Mein Gebieter«, wandte sich Arunis an den Schaggat. »Ich halte meine Versprechen.«
    »Nein«, erklärte der Schaggat. »Ich nehme mir, was mir gehört.«
    Jäh erhob er die Stimme zu ohrenbetäubendem Gebrüll, er drehte sich zu Arunis um und begann wild zu gestikulieren.
    Der Speichel flog ihm von den Lippen. »Verneige dich, Zauberer. Verneigt euch, all ihr Könige, Generäle und Fürsten dieser Welt! Der Schaggat ist gekommen, der Schaggat, um Alifros zu läutern und an sich zu bringen! Seht her, ich bin Herr über den Nilstein!«
    Daraufhin kreischten Dutzende von Ixchel-Stimmen verzweifelt im Chor : »Es ist wahr! Bei den geheiligten Namen, es ist wahr! Töte ihn, töte ihn, Pazel Pathkendle! Töte ihn jetzt!«
    Die kleinen Leute mussten sich überall versteckt haben. Nur eine Stimme – die Stimme von Dri in Pazels Hemd – zischte: »Noch nicht!«
    Zwischen Pazel und der Esse standen die Turach wie eine Wand, ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, sie würden auf alles einstechen, was sich bewegte. Pazel bezweifelte, dass er die beiden Männer erreichen konnte, selbst wenn er das wollte.
    »Neigt die Köpfe!«, kreischte der Schaggat Ness.
    Arunis gehorchte. Die Söhne des Schaggat warfen sich zu Boden. Alle anderen rissen nur Mund und Augen auf. Der Schaggat streckte die Hand aus und ergriff den Nilstein. In diesem Moment ruhten alle Augen auf ihm.
    »Jetzt!«, zischte Dri. »Los! Lauf!«
    Pazel rannte, so schnell ihn seine Beine trugen, übersprang die Kreislinie und schlüpfte zwischen den Beinen des nächsten Turach hindurch. Der Mann wollte nach ihm stechen, aber er war zu langsam. Pazel stürmte vorwärts und hielt nur wenige Zoll vor den Fersen des Schaggat an.
    Der wahnsinnige König hob den Nilstein zur Sonne empor. Ein Triumphschrei löste sich aus seiner Kehle. Pazel streckte die Arme aus – Arunis erblickte ihn und zog sein Messer. Doch bevor einer der beiden handeln konnte, verwandelte sich der Jubelschrei des Schaggat in Schmerzgeheul.
    Die Hand, die den Nilstein umfasst hielt, war tot. Ein grausiger Anblick, die Finger verwest, die Knochen durch die Haut gebrochen. Und der Tod raste bereits gleich einer Flamme den Arm hinauf.
    Mit lautem Gebrüll fuhr der Irre herum. »Verrat! Verrat! Tötet den Zauberer, tötet alle …«
    Er brach ab. Vor ihm stand ein Teerjunge und sah ihm in die Augen. Und Pazel berührte ihn und sprach das Meisterwort.
    Es war wie ein Erdbeben auf dem Meeresgrund. Es war, als hätte nicht Pazel, sondern die ganze Welt gesprochen, mit allen ihren Teilen. Die Sonne verfinsterte sich oder wurde zu hell für menschliche Augen. In der Ferne zerrissen die Wolken. Aber es wehte kein Wind, das Meer warf keine Wellen – und das Wort war bereits seinem Bewusstsein entschwunden.
    Überall an Deck stolperten die Menschen benommen umher. Was war soeben geschehen? Was hatte sich gewandelt?
    Pazel ließ die Hand sinken. Vor ihm stand die Statue eines Königs mit einem toten Arm und reckte die ver dorrte Faust in die Höhe. In dieser Faust lag der Nilstein – unverändert. Doch der Schaggat war nicht mehr.
    Arunis sah die Statue an und fuhr zu Pazel herum, Verwirrung und Ratlosigkeit im Blick. Es war, als sähe er den Teerjungen zum ersten Mal – und sähe zugleich die eigene Niederlage, so unmöglich sie ihm auch erscheinen mochte.
    »Ein Kind«, sagte er, und seine Stimme war tödlich ruhig. »Ein Balg aus der Gosse. Von welchem Wahn bist du besessen, Junge?«
    Und Diadrelu sagte so, dass nur Pazel es hören konnte: »Weiche nicht zurück. Hab keine Angst. Wenn sich die Hand mit dem Messer bewegt, schneide ich ihm die Kehle durch.«
    Kein Mensch regte sich auf dem Großen Schiff. Aber ein anderes Wesen, Ramachni, der schwarze Nerz, trat mit vorsichtigen Schritten in den Kreis und schaute zu dem Magier empor.
    »Die Drachenfürsten der Vergangenheit hatten ein Sprichwort, Arunis«, sagte er. »›Wer mit dem Feuer spielt, wird

Weitere Kostenlose Bücher