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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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von einem Tag zum anderen aufhörte, Taschas Freundin zu sein.
     
    *     *     *
     
    Im Sommerhaus – das eigentlich nur eine große Laube mit einem Schrank für die Getränke war – brannte eine blaue Sumpfgaslampe. Admiral Eberzam Isiq, Befreier der Chereste und Erretter Ormaels, saß in einem Korbsessel, eine Decke über den Beinen, und las. Um seinen glänzenden Kahlkopf schwirrten fast ebenso viele Falter wie um die Lampe an der Decke. Verwunderlich war nur, dass er es gar nicht bemerkte. Als Tascha näher kam, sah sie, wie ein großer Falter aus dem Ohr ihres Vaters auf seinen Schädel krabbelte. Der Admiral bewegte sich nicht. Lediglich eine Hand strich ungeduldig über die Seite, auf die sein Blick gerichtet war.
    »Papa!«, sagte Tascha.
    Der Admiral fuhr zusammen und schlug das Buch zu. Die Falter stoben auseinander oder wurden zwischen den Seiten zerquetscht. Dann drehte er sich um, sah seine Tochter an und stieß einen Freudenruf aus. Und schon umarmte sie ihn stürmisch, setzte sich auf seinen Schoß, rieb ihr Gesicht an seinen Bartstoppeln und kicherte, als wäre sie nicht sechzehn, sondern sechs Jahre alt und als hätte er sie nie in eine Schule verbannt, die von Hexen geleitet wurde.
    »Tascha, was bist du für ein großes Mädchen geworden!«
    »Ich möchte mit dir kommen.«
    »Was? Oh, Tascha, mein Morgenstern! Was redest du denn da?«
    Seine Stimme war trocken wie Asche. Zwei Jahre waren vergangen, doch ihr kam es vor, als wären es zehn gewesen. Sein Kinn zitterte stärker als früher, und der Backenbart, das Einzige, was von seinem Haupthaar geblieben war, hatte jegliche Farbe verloren und war jetzt milchweiß. Aber seine Arme waren noch kräftig, der Bart gepflegt, und wenn die blauen Augen endlich nicht mehr ziellos umherschweiften, sondern sich auf sie hefteten, waren sie durchdringend wie eh und je.
    »Du kannst mich nicht zurücklassen«, flehte sie. »In Simja werde ich dir keine Schwierigkeiten machen, das verspreche ich dir.«
    Der Admiral schüttelte den Kopf. »Nicht du bist die Schwierigkeit, sondern Simja. Du wärst ein mutterloses Mädchen in einer Jauchegrube. Unverheiratet und schutzlos.«
    »Du Dummkopf«, sagte sie und küsste ihn auf die Stirn. Das ging ja einfacher, als sie gedacht hatte. »Du hast das ganze Reich beschützt, da wirst du doch auch mich beschützen können.«
    »Wie lange?«
    Tascha lehnte sich zurück und sah ihn an. In seinen Augen stand tiefe Verzweiflung.
    »Und dann das Schiff«, keuchte er. »Alle diese Tiere.«
    »Papa«, sagte sie eindringlich. »Ich muss dir gleich noch etwas erzählen. Auf dem Heimweg von der Schule habe ich Hercól getroffen …«
    »Eberzam!«, rief Syrarys, die eben die Stufen heraufkam. »Sieh nur, wen ich am Gartentor gefunden habe!«
    Als sie Hercól erwähnte, war der Admiral zusammengefahren, doch jetzt lächelte er seine Tochter an. »Du bist deiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Und dabei fällt mir ein …« Er nahm ein Holzkästchen vom Tisch und reichte es ihr. »Mach es auf«, sagte er.
    Tascha öffnete das Kästchen. Ein kostbares silbernes Halsband lag zusammengerollt darin. Sie nahm es heraus. Jedes Glied hatte die Form eines winzigen Meerestiers: Seestern, Seepferdchen, Tintenfisch oder Aal, aber alle waren sie so fein gearbeitet und so geschickt zusammengefügt, dass man nur eine gewöhnliche Silberkette sah, wenn man das Halsband auf Armeslänge von sich abhielt.
    »Wie wunderschön«, flüsterte sie.
    »Es gehörte deiner Mutter«, sagte Isiq. »Sie hat es sehr geliebt und fast ständig getragen.«
    Tascha schaute von ihrem Vater zu Syrarys. Sie traute kaum ihrer Stimme. »Aber du hast es doch …«
    »Er hat es mir vor Jahren geschenkt«, sagte Syrarys, »weil er sich dazu verpflichtet fühlte. Als ob er es nötig hätte, mir seine Gefühle zu beweisen! Ich habe sie nur in meine Obhut genommen – sie aufbewahrt, bis du alt genug dafür wärst. Und das bist du jetzt, wie du soeben selbst erklärt hast.« Sie nahm das Halsband und legte es Tascha um. »Atemberaubend!«, schwärmte sie. »Was meinst du, Eberzam, könntest du dich überwinden, heute Abend einen Frack zu tragen? Nama hat inzwischen die Geduld mit ihm verloren, Tascha. Ständig sitzt er im Morgenmantel da und pafft seine Safranwurzelzigarren. Oder er streift in Pantoffeln durch den Garten.«
    Isiq schaute vergnügt von der einen zur anderen. »Da siehst du, wie ich schikaniert werde. Und das in meinem eigenen Haus.«
    Er schlug die

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