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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Decke zurück und kam mit Schwung auf die Beine: ein alter Mann, der den schneidigen Soldaten spielte. Tascha wollte ihn schon unterfassen, aber er winkte freundlich ab. Er brauchte keine Stütze, noch nicht.
     
    *     *     *
     
    Tascha begrüßte die Diener in der Küche – besonders Nama hatte ihr gefehlt –, wusch sich die Hände und lief hinauf in ihr früheres Zimmer. Alles war unverändert: das kurze, weiche Bett, die Kerze auf der Kommode, der Tisch mit der Schiffsuhr. Sie zog die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel um.
    »Ramachni!«
    Keine Antwort.
    »Ich bin es, Tascha! Komm heraus, die Tür ist abgeschlossen!«
    Wieder blieb es still. Tascha rannte zum Tisch, hob die Uhr an und schaute dahinter. Nichts.
    »Verdammt und verflucht !«
    Sie hatte sich zu lang im Garten aufgehalten, nun war Ramachni fort. Er war ein großer Magier: Er konnte zwischen verschiedenen Welten hin und her wechseln; Hercól hatte sogar schon erlebt, dass er Stürme heraufbeschwor, überall hatte er Dinge zu erledigen und Kämpfe zu führen. Wie kam sie nur darauf, dass er auf sie warten würde, während sie unten herumtrödelte?
    »Du wirst mich doch nicht aus dem Hinterhalt anspringen? Wie Hercól?«
    Manchmal sah Ramachni aus wie ein gewöhnlicher Mensch, aber meistens besuchte er sie in Gestalt eines Ner zes. Ein pechschwarzer Nerz, etwas größer als ein Eichhörnchen, der es durchaus fertigbrachte, sie zu kneifen, wenn sie in seinem Unterricht nicht bei der Sache war.
    Doch heute sah sie keinen schwarzen Nerz in ihrem Zimmer. Ramachni war gegangen und würde womöglich Tage, Wochen oder gar Jahre nicht wiederkommen. Sie konnte Syrarys nicht einmal einen Vorwurf machen, aus dem ganz einfachen Grund, dass Syrarys nichts von Ramachnis Existenz wusste. Empört über die eigene Dummheit warf sich Tascha auf ihr Bett. Und erstarrte.
    An der Decke loderten hellblaue Feuerworte. Das war Zauberei, kein Zweifel, und ihr Herz hüpfte vor Freude, denn Ramachni erlaubte ihr nur selten, Zeuge seiner Magie zu werden. Auch jetzt konnte sie das Erlebnis nur einen Moment lang genießen, denn sobald sie ein Wort gelesen hatte, flackerte es auf und erlosch, als bliese sie mit ihrem Geist eine Kerze nach der anderen aus.
     
    Glückwunsch, Tascha Isiq, Du hast Dein Gefängnis verlassen. Ich sage nicht: Willkommen daheim‹, denn deine Vorstellung von ›daheim‹ wird sich, denke ich, bald ändern. Sei nicht traurig, weil Du mich verfehlt hast: Ehe Du Dich versiehst, bin ich wieder zurück. Aber Nama geht in diesem Zimmer ständig aus und ein, um sich zu vergewissern, dass alles für Dich bereit ist, und ich bin es leid, mich unter der Kommode zu verstecken.
     
    Hercól hat übrigens vollkommen Recht: Jemand treibt sich in eurem Garten herum. Eure Hunde schwören, dass es so ist. Jorl ist so unruhig, dass man ihn kaum versteht. Wenn ich nach dem Eindringling frage, sagt er nur: »Kleine Leute in der Erde! Kleine Leute in der Erde!«
     
    Du glaubst vielleicht, mit dem Gefängnis sei das Lorg gemeint. Keineswegs! Das Gefängnis, dem Du gerade entrinnst, ist wunderschön: schön und schrecklich zugleich, und wenn Du noch länger darin verweilst, kann es sogar tödlich sein. Du wirst es vermissen. Du wirst Dich oft danach zurücksehnen, wirst Dich in seine Wärme kuscheln wollen wie jetzt in dieses Bett, das Dir zu klein geworden ist. Du kannst es nicht, mein tapferes Mädchen. Denn das Gefängnis ist Deine Kindheit, und die Tür dorthin zurück ist Dir verschlossen.
     
    Beim Essen erzählte Taschas Vater von seinem neuen Amt. Die Berufung zum Botschafter war in jeder Beziehung eine Ehre. Simja, eines der Herrenlosen Lande, war durch seine Lage zwischen Arqual und seinem großen Rivalen, dem Mzithrin, von großer Bedeutung. Zwischen den beiden Großreichen herrschte seit dem Ende des grauenvollen Zweiten Seekriegs vor vierzig Jahren ein brüchiger Waffenstillstand.
    Doch ob Krieg oder nicht, der Machtkampf ging weiter. Die Herrenlosen Lande wussten, dass ihnen von allen Seiten Gefahr drohte, denn der letzte Krieg war in ihren Gewässern, an ihren Küsten und auf ihren Straßen ausgefochten worden.
    »Wenn sie uns anschauen, sehen sie den Engel des Todes, wie Nagan sich ausgedrückt hat«, sagte Isiq. »Erinnerst du dich an Hauptmann Nagan? Vielleicht warst du damals noch zu klein.«
    »Ich denke schon«, entgegnete Tascha. »Er ist doch einer von den Leibwächtern des Kaisers.«
    »Ganz richtig«, lobte Isiq. »Aber auf dieser

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