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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Jungen angeheuert worden. Pazel sah mit einem Blick, dass er der einzige Ormalier war. Das überraschte ihn nicht. Erschreckend fand er dagegen, wie viele andere Exoten die Flikker eingefangen hatten. Nur knapp zwei Drittel waren schwarzhaarige, breitschultrige Arqualier. Die anderen Jungen bildeten eine bunte Mischung: Bei dem einen war die Haut so dunkel wie Weinbrand, ein anderer hatte auffallend grüne Augen, zwei weiteren waren himmelblaue Sterne auf die Stirn tätowiert. Pazel hatte solche Jungen im Laufe der Jahre immer wieder gesehen, aber nie in einer Arqual-Mannschaft. Es mussten Ausgestoßene sein, genau wie er selbst. Und das bedeutete vielleicht – warum auch nicht? –, dass sie mit ihm Freundschaft schließen würden.
    Wenigstens war Jervik nicht darunter.
    Nun wandte sich Uskins, der Erste Maat, den Jungen zu. Plötzlich lächelte er. Das veränderte ihn so sehr, dass sie ihn kaum wiedererkannten.
    »Schön und gut, ihr Burschen!«, dröhnte er. »Ihr habt nichts zu befürchten. Mr. Fiffengurt hier bringt euch jetzt an Bord. Er ist unser Quartiermeister und ein waschechter Sorrophranier. Er ist während eurer gesamten Dienstzeit für euch zuständig. Wenn ihr irgendwelche Schwierigkeiten habt, er hilft euch weiter.«
    Die immer noch aufgebrachten Städter und viele von den Jungen seufzten erleichtert auf. Der Quartiermeister hatte auf einem Kauffahrer eine wichtige Position, und Fiffengurt (da kam er auch schon die Brücke herunter) war ein Mann, dem sie vertrauten. Er würde gut auf ihre Söhne aufpassen und sie vor Rose beschützen. Pazel war jedoch nicht überzeugt, und auch in den Augen der älteren Teerjungen las er Zweifel. Jede Seereise begann mit einem freundlichen Lächeln und ein paar einlullenden Worten.
    Fiffengurt trat näher. Er war drahtig und stark, ein dürrer Knochen von einem Mann, mit vorspringenden Gelenken und einem struppigen weißen Bart auf Kinn und Wangen, der fast wie Rasierschaum aussah. Er lächelte den Jungen herzlich zu und wünschte ihnen einen guten Morgen. Oder galt sein Lächeln gar nicht ihnen? War sein Blick nicht weiter nach hinten gerichtet?
    Fiffengurt sah, wie sie verwirrt die Köpfe drehten, und lachte.
    »Ein Faulpelz!«, erklärte er und zeigte auf sein rechtes Auge. »Auf das hier braucht ihr nicht zu achten, es ist sowieso blind. Das Auge, mit dem ich euch sehe, ist das linke. Und nun merkt auf: Was Mr. Uskins sagte, ist ganz richtig. Ihr Teerjungen seid mir unterstellt. Wer sich anständig benimmt, der wird auch anständig behandelt; wer sich aber mit mir anlegt, den werde ich das Fürchten lehren! Und jetzt schweigt still und hört euch an, was der Kapitän zu sagen hat!«
    Tatsächlich war Rose hinter das Rednerpult getreten. Er umfasste es mit seinen schweren Händen an beiden Seiten, schaute mit unergründlichem Blick kalt auf die Städter hinab und wartete. Wieder verstummten Geschrei und Getuschel.
    »Ihr glaubt mich zu kennen«, sagte Rose. Er sprach leise, dennoch rollte seine Stimme wie Donner über den Platz. »Doch ihr kennt mich nicht. Es gab einen Kapitän Rose, der das Große Schiff durch alle Gewässer von hier bis zum Schlangenkopf führte und vor zehn Jahren sein Kommando verlor – aber dieser Mann bin nicht ich. Vor euch steht einer, der weiß, wie schwer die Macht drückt und sie nicht mehr begehrt. Auf Wunsch des Erhabenen werde ich noch einmal das Steuer der Chathrand übernehmen, aber mit dem Ende dieser Fahrt endet auch mein Leben als Seemann. Ich habe mich um Aufnahme in den Orden des Roln-Tempels beworben und werde mich auf die Insel Rapopalni zurückziehen.«
    Die alte Herzogin fuhr so heftig zusammen, dass ihre Katze zu Boden sprang. Mr. Uskins blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Vom Platz waren leises Gelächter und ungläubiges Seufzen zu hören. Rapopalni war eine heilige Insel in der Engen See. Der dortige Tempel wurde alljährlich von Tausenden von Pilgern besucht. Die Mönche des Roln-Ordens führten ein Leben in Armut und Kasteiung: zwei Eigenschaften, die niemand je mit Rose in Verbindung gebracht hätte.
    »Der Kaiser«, fuhr Rose fort, »hat mir in seiner Güte einen geistlichen Begleiter geschickt. Bruder Bolutu wird mir während dieser Fahrt bei meinen Andachtsübungen behilflich sein und sich daneben, zweifellos mit nicht geringerer Hingabe, den Tieren in unserem Frachtraum widmen.«
    Der schwarze Mann zuckte nicht mit der Wimper. Er beobachtete Rose wie eine Naturerscheinung, eine Schlange etwa, die ein Ei

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