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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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von der zweifachen Größe ihres eigenen Kopfes verschlingt.
    »Jetzt zu etwas anderem«, fuhr Rose fort. »Ich weiß, dass viele von euch tüchtigen Seeleuten hofften, heute Morgen hier anheuern zu können. Zwar brauchen wir tatsächlich noch Deckmatrosen – dreihundert, um genau zu sein, um die Mannschaft aufzufüllen. Aber ich muss euch leider sagen, dass in Etherhorde angemustert wird und nur dort.«
    Jetzt heulten alle: »Verrat! Betrug!« Eine Frau hob die Faust und rief: »Die Söhne nimmst du, aber ihre Väter willst du nicht haben? Was hast du mit ihnen vor, dass du die Väter nicht an Bord nehmen willst?«
    Rose hob die breite Hand. »Es ist Kaiserliches Gesetz.«
    »Von wegen Gesetz!«, schrie die Frau. »Was soll das für ein Gesetz sein?«
    »Das Königliche Transportgesetz, meine Gnädigste.«
    Die Menge verstummte: Niemand konnte sich unter dem Begriff etwas vorstellen, aber er klang beeindruckend, und man wollte mehr darüber hören.
    »Natürlich haben wir den Auftrag, Handel zu treiben«, ergriff Rose wieder das Wort, »aber wir haben auch eine Friedensmission zu erfüllen. Wir werden in Etherhorde einen Fahrgast an Bord nehmen, der für das Imperium von höchster Bedeutung ist: keinen Geringeren nämlich als Eberzam Isiq, den pensionierten Flottenadmiral und neuen Botschafter des Erhabenen in Simja. Dort, in neutralen Gewässern, soll Isiq den Vertreter der Gegenseite, einen mzithrinischen Botschafter treffen, um mit ihm über einen dauerhaften Frieden zwischen den beiden Großreichen zu verhandeln.«
    Jetzt senkte sich andächtige Stille über den Platz.
    Rose sprach sogleich weiter: »Wenn wir den Botschafter Isiq befördern, ist das nicht anders, als beförderten wir den Kaiser in höchsteigener Person. Wir werden ihm eine Ehrengarde stellen und dafür sorgen, dass die vornehmen Fahrgäste jeden Luxus und jede Bequemlichkeit genießen. Alle Teerjungen bekommen eine Soldzulage. Doch leider sind auch besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Deshalb habe ich Befehl, meine Seeleute unter unmittelbarer Aufsicht des Ametrin-Throns anzuwerben. Kein Rang über den Teerjungen ist davon ausgenommen.«
    »Und was ist mit den verdammten Geschützen?«, rief eine Stimme. »Mein Sohn hat nicht als Pulverjunge angemustert!«
    Rose warf dem Sprecher einen durchdringenden Blick zu und schien eine scharfe Antwort auf der Zunge zu haben. Aber die Regung ging vorüber, und er fuhr in seinem begütigenden Tonfall fort.
    »Die Chathrand fährt auf eine Friedensmission, aber gebaut wurde sie für den Krieg – einen gewaltigen Krieg in uralter Zeit.
    Diese Geschütze sind übrig geblieben. Eigentlich wären sie in einem Museum besser untergebracht als auf dem Batteriedeck. Wir halten lediglich einige wenige feuerbereit: nur so viele wie nötig, um uns gegen Piraten zu verteidigen. Fürchtet nicht um eure Söhne! Ich versichere euch, ich werde für meine Besatzung wie ein Vater sein, und meine Männer werden jeden eurer Jungen wie ihren eigenen Sohn behandeln. Und natürlich werden wir jeden Buchstaben des Seefahrtsgesetzes befolgen.«
    »Die Buchstaben schon«, sagte eine Stimme neben Pazel leise. »Aber nicht den Sinn.«
    Pazel drehte sich um. Neben ihm stand der kleinste Teerjunge, den er je gesehen hatte. Er trug einen ausgebleichten roten Turban um den Kopf und reichte Pazel kaum bis zur Schulter. Seine Stimme war dünn und ziemlich piepsig, doch obwohl er keinen Moment stillstehen konnte, wirkte er aufgeweckt, und sein Blick war scharf und klar. Nun warf er Pazel ein spöttisches Lächeln zu.
    »Nichts als Lügen«, sagte er. »Wenn er fromm ist, bin ich eine Blasenkröte. Abwarten.«
    Rose pries nun die Werften von Sorrophran und wünschte dem Kaiser ein langes Leben. Damit war seine kleine Ansprache beendet. Niemand jubelte ihm zu, aber er wurde auch nicht ausgezischt oder mit Steinen beworfen: Wie denn auch, nachdem er eben die Persönlichkeit beschworen hatte, in deren Namen die Chathrand in See stechen sollte? Die Menschen auf dem Kai schienen sich bereits in ihr Schicksal zu ergeben, und mehr hatte der Kapitän wohl auch nicht erreichen wollen, dachte Pazel.
    Rose hinkte voran, die ganze Gruppe stieg von der Tribüne und strebte der Fahrgastbrücke zu. Auf dem Oberdeck setzte das misstönende Trompetengeschmetter wieder ein. Fiffengurt wandte sich abermals an die Jungen und rief über den Lärm hinweg: »Nun, ihr Burschen, wer hat Lust auf ein Frühstück? Der Kapitän speist mit seinen Gästen in der

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