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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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zusammenarbeiten!«
    »Heda, Blechrock! Gib uns den ormalischen Bengel zurück! Wir haben’s uns anders überlegt!«
    Die Rufe kamen von den Fischern, aber der Soldat überhörte sie, schnappte sich Pazel und zerrte ihn zur Tribüne.
    Der blonde Offizier betrachtete ihn, dann machte er ein finsteres Gesicht. »Ein Ormalier?«, fuhr er den Soldaten an. »Sind Sie Soldat oder Schrotthändler?«
    »Der Bursche ist bestes Material!«, beteuerte der Soldat. »Ein Schützling der Fischergilde. Du bist doch ein erfahrener Teerjunge, Bengel, oder etwa nicht?«
    Pazel zögerte nur einen Moment. Keiner dieser kreischenden Städter konnte sich vorstellen, wie es war, als Ormalier im arqualischen Reich zu leben. Selbst wenn der Dienst auf der Chathrand unter Rose die Hölle wäre, es wäre immer noch besser, als Hungers zu sterben oder in den Steinbrüchen der Vergessenen Kolonien zu schuften.
    »Jawohl, Sir!«, rief er. »Kapitän Nestef von der Eniel war sehr zufrieden mit mir, er meinte, ich kenne mich mit der Takelage aus wie ein richtiger Seemann, außerdem beherrschte ich alle Knoten, alle Flaggen und alle Signale, ganz zu schweigen davon, dass ich bei schlechtem Wetter flink wie ein Wiesel wäre, und er wollte mich auch nicht an Land zurücklassen, ich …«
    »Ein Possenreißer«, sagte der blonde Offizier zu dem Seesoldaten. »Aus meinen Augen mit diesem Plapperaffen.«
    »Hüten Sie Ihre Zunge«, fauchte der Soldat. »Die Alte kann Sie noch so reich gemacht haben …«
    »Jedenfalls so reich, dass ich es leid bin, mich mit Betrügern abzugeben«, sagte der Offizier.
    »Sie sprechen mit einem Angehörigen der Zehnten Legion des Erhabenen!«
    »Dann zahlen wir mit unserer Arbeit für euren Grog, eure Stiefel und eure kleinen Mädchen. Und jetzt verschwinden Sie!«
    Pazel sah seine Felle davonschwimmen und setzte alles auf eine Karte: Er zupfte den Ersten Maat am Ärmel. »Bitte, Sir! Ich werde nicht plappern und mich auch nicht wie ein Affe benehmen, beides hat man mir auf der Eniel niemals vorgehalten, stattdessen habe ich von Kapitän Nestef viermal eine Belobigung bekommen, zweimal in Gegenwart von vornehmen Herren, er sagte, ich sei ein hervorragender Teerjunge, an Deck und unter Deck zu gebrauchen, mein Tee sei selbst für den kaiserlichen Hof gut genug, ich schälte die Kartoffeln äußerst sparsam, ohne etwas zu verschwenden und ohne faule Stellen zurückzulassen, und …«
    »Mr. Uskins«, sagte eine tiefe Stimme. »Nehmen Sie den Jungen.«
    Es war Kapitän Rose. Pazel blickte hinauf zur Bugkanzel, und für einen Moment erwiderte der Hüne seinen Blick. Der Mund war unter dem roten Bart verborgen, aber die Augen machten den Jungen frösteln.
    »Mein Vater hatte einmal ein Plappermaul unter seinen Jungen«, sagte er. »Er ließ ihm vom Schneider den Mund mit Zwirn zunähen.«
    Uskins warf dem Seesoldaten eine Münze zu und machte eine verärgerte Handbewegung. »Da hinüber zu den anderen«, sagte er zu Pazel. »Nun mach schon!«
    Pazel fürchtete schon, einen Fehler gemacht zu haben, aber er gehorchte. Die anderen Jungen drängten sich leise weinend zusammen. Einige waren fast noch Kinder und wollten nur für Kost und Logis auf dem Großen Schiff arbeiten; nur wenige hatten das salzstarre Haar und die kräftigen Arme echter Teerjungen. Sie hatten offenbar die ganze Nacht am Kai verbracht, in Hauseingängen, verlassenen Barkassen oder in Kisten. Doch als sie Rose erblickten, waren sie sofort geflüchtet.
    Wie jeder, der zur See fuhr, hatte auch Pazel schon von Kapitän Nilus Rotheby Rose gehört. Er war der berühmteste und der dienstälteste Kapitän der Chathrand. Berühmt, weil mit allen Wassern gewaschen: Gerüchten zufolge hatte er einst ein Vermögen in Seide aus Ibithraéd herausgeschmuggelt, indem er den kostbaren Stoff in doppelte Segel einnähen ließ. Und berüchtigt, weil er so grausam war: Nach einer anderen Geschichte hatte er einmal einen Zweiten Maat zehn Seemeilen lang an den Füßen vom Bugspriet hängen lassen. Weil der auf Wache gegähnt hatte.
    Außerdem war Rose der einzige Kapitän des Großen Schiffes, der jemals entlassen worden war. Den Grund dafür kannte Pazel nicht. Aber die Reederfamilie der Chathrand legte die strengsten Maßstäbe im ganzen Reich an. Wenn – selten genug – einer ihrer Kapitäne seines Kommandos enthoben wurde, war das ein Skandal.
    Und dass er es zurückbekommen hatte, war so unerhört, dass es an ein Wunder grenzte.
    Wenige Minuten später waren etwa dreißig

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