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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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auf den Lippen, in einem dünnen weißen Kleid, das ihre dunkel schimmernde Haut noch besser zur Geltung brachte, an seiner Seite. Mr. Fiffengurt, der oben an Deck stand, warf nur einen einzigen Blick auf sie und dachte: Das wird eine gefahrvolle Reise.
    Dahinter kam Tascha mit zwei Büchern (einer Mzithrin-Grammatik und einem Exemplar von Händlers Polylex in den Armen. Ihr finsterer Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Die Zuschauer deuteten mit Fingern auf sie und murmelten: »Da ist sie, die Friedensbraut, das Geschenk des Kaisers an die Wilden. Vermählen wird man sie! Armes Ding, und dabei so hübsch! Eine Hochzeit, damit es keinen Krieg mehr gibt.«
    »Lady Tascha!«
    Es war der Reporter vom Meeresboten. Tascha drehte sich gereizt zu ihm um. Es wird nicht dazu kommen, hätte sie gern gerufen. Lieber brenne ich mit den Piraten durch, als dass ich einen Sargverehrer heirate! Das kannst du gern in deiner Zeitung schreiben!
    Der Reporter sprach leise und behielt mit einem Auge stets Eberzam Isiq im Blick. »Der Mann in Ihrem Garten, der Mann, der getötet wurde. Wer war er? Was hat er zu Ihnen gesagt?«
    Papa würde ihr übelnehmen, wenn sie darauf antwortete, dachte sie. Doch das spornte sie erst recht an.
    »Er konnte nicht mehr viel sagen, bevor er erschossen wurde.«
    Das war die reine Wahrheit. Jorl hatte den verwilderten, ausgemergelten Mann, der aus der Aschegrube in einer Ecke des Gartens gesprungen und wie ein rußiges Phantom auf sie zugestürmt war, gestellt, bevor der auch nur die halbe Strecke zurückgelegt hatte. Es war früher Morgen gewesen. Tascha, die zum dritten Mal, seit Isiq ihr mitgeteilt hatte, sie sei nun verlobt, eine schlaflose Nacht verbracht hatte, torkelte, sich die müden Augen reibend, durch den Garten. Sie sah den Mann, der mit einem Blick voll brennender Mordlust oder religiöser Ekstase auf sie zukam, nur für einen Augenblick; dann hatte ihn der Hund schon wie ein fauchender Felsblock von den Beinen gerissen. Anstelle von Angst spürte sie Mitleid: Jorl hatte den ganzen Hals unter dem schwarzen Bart des Angreifers zwischen den Zähnen. Aber er würde den Mann nur töten, wenn der ein Messer zog – ihre Hunde waren bestens ausgebildet. Sie allerdings auch: Sie hatte für den Unterricht im Thojmélé-Kampf bei Hercól mit unzähligen blauen Flecken bezahlt. Nichts und niemand sollte sie so überraschen, dass sie wie gelähmt wäre und diesen ersten Moment verschenkte. Sie hatte sich auf den Mann gestürzt und sich mit der Hand in sein Haar gekrallt.
    »War es ein Ausländer, Lady Tascha?«, fragte der Mann vom Meeresboten.
    Das ganz bestimmt. Er hatte sie angesehen und in einer Sprache gefistelt, die sie noch nie gehört hatte. Er war wie von Sinnen – aber vor Angst, nicht weil er betrunken gewesen wäre. Sie hatte keine Spur von Alkohol in seinem Atem gerochen.
    »Ja, ein Ausländer«, nickte sie. »Sie sollten jetzt gehen.«
    »Was hat er zu Ihnen gesagt – bevor er erschossen wurde?«
    Sie schaute den Reporter an, aber im Geist sah sie das mit Asche verschmierte Gesicht vor sich. Immer wieder die gleichen Worte. Ihren Namen und …
    »Mighra Cror, mighra Cror« , murmelte sie.
    »Was heißt das?«, fragte der Reporter.
    Sie hatte sich die gleiche Frage gestellt. »Sprich Arqualisch!«, hatte sie den verängstigten Mann angefleht. Obwohl die beiden Doggen (inzwischen hatte sich auch Suzyt ins Getümmel gestürzt) drohend knurrten, hatte er sich ihrem Wunsch gefügt.
    »Tot, ist tot, tot!«, keuchte er in gebrochenem Arqualisch. »Du, wir, alle Menschen!«
    »Tot? Wer ist tot? Und wie?«
    »Mighra Cror …«
    »Was in aller Welt ist das?«
    Doch dann hatte eine andere Stimme dem Gespräch ein Ende gemacht. Syrarys erschien auf dem Gartenbalkon und kreischte: »Tötet ihn! Erschießt ihn! Sofort! «
    Und jemand gehorchte. Der Pfeil raste von der Gartenmauer herab und bohrte sich so zielsicher einen Zoll neben Jorls Pfote in das Herz des Eindringlings wie die Nadel des Schneiders in den Knopf, den er annähte. Rasch verfolgte Tascha die Flugbahn zurück: ein Schatten zwischen Eichenzweigen, ein Mann, der in den Nachbargarten sprang. Zehn Minuten später schafften die Gendarmen auch schon die Leiche weg.
    War der schemenhafte Schütze womöglich einer der großen, schwitzenden Soldaten hinter ihr gewesen – ein Angehöriger der Ehrengarde, auf der der Kaiser bestanden hatte? Vielleicht würde sie es nie erfahren. Noch schlimmer war, dass sie wohl nie erfahren würde, wer der

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