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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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Kapitän! Sir, darf ich Sie zum Empfang am Kaiserlichen Thron unseres Kaisers beglückwünschen?«
    »Sie dürfen nichts tun, was Sie davon abhält, mir über die Vorfälle von heute Nachmittag zu berichten«, sagte Rose. »Und dieser Teerjunge ist hier, weil ich nach ihm geschickt habe.«
    »Was auch nötig war, Sir: Er ist verdammt tief in die Geschichte verwickelt. Aber auch ein Teerjunge verdient es, den Grund für seine Verurteilung zu erfahren. Ist es nicht so?«
    »Ich warte immer noch auf Ihren greimigen Bericht.«
    Uskins senkte den Kopf wie ein Schuljunge, der ein Gedicht aufsagen soll. Sein Bericht war, gelinde ausgedrückt, sehr phantasievoll. Die Augrongs wären plötzlich Amok gelaufen; der mit den langen Ohren wäre auf das Schiff gestürmt und hätte zwanzig Mann mit sich gerissen; er, Uskins, hätte dank seiner Kenntnisse der Augrong-Sprache eine Katastrophe gerade noch abwenden können.
    »Es ist eher ein Lallen«, ergänzte er. »Was wir unter Sprache verstehen, ist diesen Ungeheuern kein Begriff. Sie sind ja kaum mehr als Tiere.«
    Rose lehnte sich in seinem Sessel zurück und strich sich mit einer Hand nachdenklich den Bart. »Ungeheuer ohne Verstand?«, fragte er.
    »Dafür verbürge ich mich, Kapitän. Große Affen mit Schuppen, für die das Leben praktisch nur aus Essen, Arbeit und Schmerzen besteht.«
    »Und was davon haben Sie eingesetzt?«
    »Natürlich die Schmerzen, Sir. Ich ließ sie wissen, dass sie eines langsamen Todes sterben würden, wenn sie sich nicht so benehmen könnten, dass es für zivilisierte Menschen erträglich ist. Sie hatten sich fast schon gefügt, als dieser Taugenichts hier den Kopf verlor und den vorderen der beiden ansprang.
    Ich sah sofort, dass das sein Tod sein würde, und es griff mir ans Herz, Sir, obwohl er so boshaft wie dumm ist. Ich will nicht behaupten, dass es klug war, aber ich entschied mich, diesen Jungen zu retten. Ich rannte zur Achterdeckreling und schlug mit einer Spillspake nach dem Augrong. Dabei wiederholte ich, dass er und sein an Land gebliebener Freund sterben würden. In den Gedanken des Ungeheuers las ich, dass es mir glaubte. Es ließ den Jungen laufen. Genau in diesem Moment, Sir, erschienen Sie auf dem Platz.«
    Pazel blieb vor Staunen über diese Darstellung der Mund offen stehen. Aber der Kapitän nickte nur langsam und sah nicht so aus, als wollte er ihn zu Wort kommen lassen. Rose schlug ein dickes Buch auf – dasselbe Buch, in das Fiffengurt die Namen der Teerjungen eingetragen hatte, die von den Seesoldaten angeschleppt worden waren – und blätterte mit finsterer Miene die dicken Seiten um.
    »Was sollen wir denn nun mit dem Jungen anfangen, Uskins?«
    Der Erste Maat räusperte sich. »Wenn eine Klampe bricht, muss man sie ersetzen, Sir, und mit einem Teerjungen ist es nicht anders. Außerdem sind die Ormalier berüchtigt für ihre Niedertracht und Heimtücke: Ich erlaube mir, den Kapitän daran zu erinnern, dass ich von vornherein dagegen war, ihn anzuheuern. Wir können froh sein, dass er sein wahres Gesicht gezeigt hat, solange wir noch im Hafen sind – und hier sollte er auch bleiben. Ich empfehle, ihn wegen Randalierens zu entlassen.«
    »Dann findet er nie wieder ein Schiff.«
    »Und das ist auch gut so. Wenn ihn der Wahnsinn auf hoher See überfällt, könnte das eine Katastrophe auslösen.«
    Rose schaute auf das Buch nieder. Dann tauchte er die Feder in das noch geöffnete Tintenfass und kritzelte Einträge neben verschiedene Namen. Nach einer langen Pause sagte er: »Ich habe Ihren Bericht gehört, Uskins. Sie können gehen. Schicken Sie den Schreiber herein, er soll sich um den Jungen kümmern.«
    Uskins konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. Er verneigte sich tief, doch als er sich zum Gehen wandte, fiel ihm noch etwas ein. »Seine Kleider wurden verbrannt, Sir. Voller Ungeziefer. Die Uniform wollen wir natürlich zurückhaben, sie ist ja fast neu, aber ein paar Fetzen sollten sich wohl für ihn finden lassen.«
    Rose stemmte sich mit einer heftigen Bewegung hoch. »Wir werden seine Uniform nicht zurücknehmen, sondern sie durch eine Mütze und einen Mantel ergänzen. Der Junge wird auch nicht an Land gesetzt. Ich habe nicht miterlebt, was an Deck geschah, Uskins, aber Botschafter Isiq konnte alles gut sehen, und er hält das, was er getan hat, nicht für wahnsinnig, sondern für außergewöhnlich mutig. Er will den Jungen persönlich beglückwünschen und die Mütze und den Mantel aus eigener Tasche

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