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Windkämpfer

Windkämpfer

Titel: Windkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Redick
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weder seine Mutter noch seine Schwester mehr gesehen hätte. »Aber Chadfallow, der Arzt, von dem ich dir erzählt habe, behauptet, sie seien noch am Leben. Er hatte meine Mutter sehr gern.«
    »Und wo ist sie dann?«
    »Das wollte er mir nicht verraten. Er sagte nur, er habe vor, sie zu besuchen. Und ich glaube, er wollte auch mir helfen, sie wiederzufinden.«
    Neeps blinzelte in die Sonne. »Aha. Das ist doch derselbe, der dir irgendwelches Zeug in den Tee getan hat. Der diesen Rüpel von einem Bootsmann dafür bezahlt hat, dass er dich in Sorrophran aussetzte. Der eine Landzunge entlanggaloppierte und dir zuschrie, das Schiff zu wechseln. Und der es nicht für nötig hielt, deiner Familie zu sagen, dass die Arqualier im Begriff standen, in Ormael einzumarschieren. Habe ich noch etwas vergessen?«
    »Er hat mich aus der Sklaverei freigekauft«, sagte Pazel.
    Neeps nickte sachlich. »Dann passt alles zusammen. Er ist so verrückt wie ein Mondkalb.«
    »Wahrscheinlich«, erwiderte Pazel. »Aber er weiß auch so einiges – über meine Familie, über Tascha Isiq und diese ganze Reise nach Simja. Auf diesem Schiff gibt es große Geheimnisse, Neeps.«
    »Uiiii …«
    Pazel warf mit einem Klumpen Messingreiniger nach ihm. »›Undrabust‹ bedeutet auf Kuschali ›gebrochene Zehe‹, hast du das gewusst? Ganz ehrlich!«
    »Und ›Pathkendle‹ bedeutet ›stinkender Teerjunge, der von reichen Mädchen träumt‹. Hast du das gewusst?«
    Sie bewarfen sich mit Beleidigungen, Fettschmiere und Lappen und freuten sich ihres Lebens. Die Spiere schwankte bedenklich, aber seltsamerweise hatten sie keine Angst mehr. Doch dann ließ eine scharfe Stimme von oben sie erstarren.
    »Was ist denn hier los? Das ist doch kein Spielplatz! Ihr elenden Ratten! Vergeudet Zeit und wertvolles Mat-ee-rii-al!«
    Es war Mr. Swellows, der Bootsmann: von allen Offizieren außer Uskins derjenige, den Pazel am meisten verabscheute. Er schaute mit blutunterlaufenen Augen böse zu ihnen herab: Gerüchten zufolge war er ein starker Trinker. Er behauptete, in sämtliche Gedanken und Absichten des Kapitäns eingeweiht zu sein, und grinste dabei geheimnisvoll, verriet aber kaum etwas. Er hatte zwanzig Jahre unter Rose gedient.
    »Zieht die beiden sofort herauf!«, blaffte er die Heckwachen an. »Pathkendle! Wasch dir das Zeug von den Händen! Der Kapitän will dich sehen!«
    Neeps warf Pazel einen besorgten Blick zu. Die Spiere schaukelte nach oben. Gleich darauf kletterten sie über die Reling.
    »Kapitän Rose will mich sehen?«, fragte Pazel erschrocken. »Wieso denn, Mr. Swellows?«
    »Die Rote Bestie.«
    »Sir?«
    Swellows sah ihn mit versteckter Schadenfreude an. Dann beugte er sich zu ihm und machte eine kratzende Bewegung.
    »Die Rote Bestie! So nennen wir ihn! Ich hoffe für dich, dass er es nicht auf dich abgesehen hat, hehehe!«
     
    *     *     *
     
    »Sie können jetzt eintreten«, sagte Rose und streifte seine Feder am Tintenlöscher ab. Aber es war nicht der Bote des Kaiserlichen Postdiensts, den er erwartet hatte, sondern Uskins. Und der zog Pazel Pathkendle hinter sich her. Der Junge sah so aus, als wäre er eben erst derb geschüttelt worden.
    »Verzeihen Sie die Störung, Kapitän«, sagte der Erste Maat. »Es ist sechs Glasen: Ich melde mich wie befohlen. Und dieser ungemein lästige Bursche hier lungerte draußen im Korridor herum.«
    »Bringen Sie ihn herein. Und schließen Sie die Tür.«
    Uskins führte Pazel in Roses Tageskabine, einen großen, vornehmen Raum unter dem Achterdeck, wo der Kapitän nicht nur Schreibarbeiten erledigte, sondern auch badete, sich rasierte und mit geladenen Günstlingen speiste – von einem Silbergeschirr, das so alt war wie das Schiff selbst. Der Erste Maat schloss die Tür und zerrte Pazel mit unnötiger Brutalität quer durch die Kabine.
    »Ehe ich es vergesse, Sir: Dieser Bruder Bolutu, unser geschätzter Tierheiler …« – Uskins’ Stimme triefte vor Hohn – »… hat mich heute Morgen angesprochen. ›Mr. Uskins‹, sagt er, ›ich habe einen Brief an den Kapitän geschrieben, in dem von den besonderen Eigenschaften der Ratten auf diesem Schiff die Rede ist. Ich möchte auch Sie gern darauf aufmerksam machen.‹ Und dann faselte er doch tatsächlich etwas vom ›disziplinierten Verhalten‹ der Ratten, Sir, Sie werden es nicht glauben.«
    »Ich glaube es auch nicht«, entgegnete Rose. »Aber ich habe seinen Brief gelesen.«
    »Oppo, Kapitän. Haltung, Teerjunge! Du stehst vor dem

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