Winslow, Don
Sie je davon gehört?
A: Nein.
F: War jemand mit dem Namen Kerberos in den Mord an Hidalgo verwickelt?
A: Nein.
Bei dieser Antwort verließ Althea die Zuschauertribüne. Später, im
Watergate Hotel, sagte sie zu Keller: »Diese Senatoren merken vielleicht nicht,
wenn du lügst, Art. Aber ich schon.«
»Können wir nicht einfach nett mit den Kindern essen gehen?« fragte er.
»Wie konntest du nur?«
»Was denn?«
»Dich gemein machen mit einem Haufen rechtsgerichteter-«
»Stopp!«
Er hielt die Hand hoch und kehrte ihr den Rücken zu. Er hatte die Vorwürfe
satt.
Er hat es satt, überhaupt noch was zu hören, dachte Althea. Als er damals
in den letzten Monaten in Guadalajara immer so abwesend gewirkt hatte, war das
noch ein Zuckerlecken gewesen im Vergleich zu dem, was dann kam, als er aus
Mexiko nach Hause kam. Oder nicht nach Hause kam - jedenfalls nicht als der Mann, den sie gekannt hatte. Er
redete nicht mehr, er hörte nicht mehr zu. Die meiste Zeit seiner »Beurlaubung«
saß er allein am Pool ihrer Eltern oder machte lange, einsame Spaziergänge
durch Pacific Palisades oder am Strand. Beim Essen sprach er kaum oder,
schlimmer noch, er hielt ihr lange, erbitterte Vorträge über Politik, um sich
dann zu entschuldigen, nach oben zu gehen oder zu einem nächtlichen Spaziergang
aufzubrechen. Spätnachts dann lag er schlaflos im Bett, befingerte die
Fernbedienung, zappte sich wie ein Speedfreak durch die Programme und nannte
sie allesamt Mist und wieder Mist. Schliefen sie dann doch einmal miteinander
(wenn man das überhaupt noch so nennen konnte), war er aggressiv und hastig,
als wollte er seine Wut an ihr auslassen, statt sie einfach nur zu lieben oder
sich mit ihr zu vergnügen.
»Ich bin kein Sandsack«, sagte sie eines Nachts, als er auf ihr lag und
eine seiner gefürchteten postkoitalen Depressionen durchlebte.
»Ich hab dich nie geschlagen.«
»Das meinte ich auch nicht.«
Er blieb ein pflichttreuer Vater, spielte seine gewohnte Daddy-Rolle, aber
es war, als würde er nur einer alten Routine gehorchen. Wie sein eigenes
Roboter-Double ging er mit den Kindern in den Park, brachte er Michael das
Surfen auf dem Bodyboard bei, Cassie das Tennisspielen. Die Kinder spürten,
dass etwas nicht stimmte.
Althea schlug ihm eine Behandlung vor.
Er lachte. »Eine Psychotherapie?«
»Oder ein Lebensberater, was immer.«
»Die verschreiben einem nur Tabletten«, sagte er.
Grundgütiger, dann nimm sie doch!, dachte sie.
Als die Vorladungen kamen, wurde es noch schlimmer.
Die Termine bei den DEA-Bürokraten, den Regierungsstellen, den Ermittlern
vom Kongress. Sie hatte Angst, die Anwaltskosten könnten sie ruinieren, aber
er sagte immer nur, sie solle sich keine Sorgen machen. »Es ist für alles
gesorgt.« Sie wusste nicht, wo das Geld herkam, aber irgendwo musste es
herkommen, denn sie sah nie auch nur eine einzige Anwaltsrechnung.
Keller natürlich verweigerte jedes Gespräch darüber.
»Ich bin deine Frau«, beschwor sie ihn eines Nachts. »Warum vertraust du
dich mir nicht an?«
»Es gibt Dinge, die du nicht wissen darfst«, sagte er.
Er wollte ja mit ihr
reden, ihr alles erklären, ihr wieder näherkommen, aber es ging nicht. Da war
diese unsichtbare Wand wie in einem Science-Fiction-Film - nicht zwischen
ihnen, sondern in ihm drin -, die er einfach nicht durchbrechen konnte. Es war,
als würde er im Wasser leben, unter Wasser, und hochblicken zum Licht der wirklichen Welt, aber immer nur die vom
Wasser verzerrten Gesichter seiner Frau und seiner Kinder sehen, als könnte er
nicht nach oben greifen, sie berühren - genauso wenig wie sie ihn.
Stattdessen tauchte er noch tiefer.
Zog sich in sein Schweigen zurück, das schleichende Gift für jede Ehe.
An dem Tag im Watergate Hotel sah er Althea an und begriff: Sie wusste,
dass er abgetaucht war - ganz tief gesunken war und für die Regierung gelogen
hatte, ihr geholfen hatte, einen dreckigen Deal zu kaschieren, der Tonnen von Crack in die amerikanischen
Gettos gespült hatte.
Aber sie kannte nicht den Grund, warum er das getan hatte.
Und das ist er, der Grund, denkt Keller, als er durch die Jalousien auf das
Haus gegenüber schaut, Calle Cosmos 2718, wo sich Tío Barrera versteckt.
»Jetzt hab ich dich, du Dreckskerl«, sagt er, »und diesmal haut dich
keiner raus.«
Tío wechselt seinen
Unterschlupf alle paar Tage, wechselt ständig zwischen Dutzenden von Wohnungen
und Häusern in Guadalajara. Entweder aus Angst vor der Verhaftung
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