Winslow, Don
Leibwächter. (Wieder Kerberos, denkt
Keller, der unvermeidliche dreiköpfige Höllenhund.)
Nicht dass sich Keller deswegen allzu viele Sorgen macht. Seine Leute
sind auch nicht schlecht bestückt. Er hat fünfundzwanzig Sondereinsatzkräfte
der Federales mit Mi6-Gewehren, Scharfschützengewehren, der kompletten
Ausrüstung für Spezialeinheiten, ganz zu schweigen von Ramos und seiner
privaten Crew. Aber die mexikanische Forderung lautet: »Wir dulden keinerlei
Schusswaffengebrauch im Stadtgebiet von Guadalajara, Feuergefechte müssen um
jeden Preis verhindert werden.« Und Keller ist entschlossen, sich daran zu
halten.
Also versuchen sie, die Sache anders anzugehen.
Es ist das Mädchen, das ihnen auf die Sprünge hilft.
Barreras neueste Flamme.
Sie will nicht kochen.
In den vergangenen drei Tagen hat Keller beobachtet, dass die Leibwächter
zu dritt zu einem nahe gelegenen Imbiss gegangen sind, um zu frühstücken. Hat
über die Abhörtechnik verfolgt, wie sie sich stritten, hat sich ihr Gezeter und
das Gemaule der Wachmänner angehört, bis sie dann aus dem Haus liefen und nach
zwanzig Minuten zurückkamen, gesättigt und gestärkt für einen langen Arbeitstag
im Dienst von Miguel Angel.
Aber heute nicht, denkt Keller.
Heute wird es ein kurzer Tag.
»Die müssten langsam rauskommen«, sagt er zu Ramos. »Keine Sorge.«
»Ich mach mir aber Sorgen. Wenn nun plötzlich die Hausfrau in ihr
erwacht?«
»Vergiss es!«, sagt Ramos. »Wenn die meine Frau wäre, der würde ich's zeigen.
Die würde jeden Morgen fröhlich aufwachen und mich verwöhnen. Die glücklichste
Frau von Mexiko.«
Aber nervös ist er auch, wie Keller deutlich sieht. Seine Kinnlade
krampft sich um die unvermeidliche Zigarre, seine Finger vollführen kleine
Trommelwirbel auf dem Schaft seiner Uzi. »Irgendwann müssen sie was essen«,
fügt er hinzu.
Hoffen wir mal, denkt Keller. Wenn wir diese Chance verpassen, ist die
wacklige Absprache mit ihren hochnervösen, widerstrebenden Unterstützern in
der mexikanischen Regierung gefährdet. Der Innenminister und der Gouverneur
von Jalisco haben sich ausdrücklich von diesem Einsatz distanziert und zu einer
dreitägigen »Tauchexkursion« aufs Meer verabschiedet, so dass sie bei Bedarf
die Ahnungslosen spielen können - gegenüber der Regierung und gegenüber den
Barrera-Brüdern. Dieser Einsatz ist voller Unwägbarkeiten, die sie alle im
Griff behalten müssen, und das in einem äußerst engen Zeitrahmen.
Der Trupp Federales aus Mexico City ist dazu abgestellt, Barrera zu schnappen.
Gleichzeitig wartet eine Sondereinheit der Armee am Stadtrand, bereit, die
ganze Polizeimacht des Staates Jalisco lahmzulegen, Polizeichef und Gouverneur
festzusetzen, bis Barrera in Mexico City gelandet ist, unter Anklage gestellt und hinter Gitter
gebracht wurde.
Das ist ein Staatsstreich, denkt Keller, durchgeplant bis auf die Sekunde,
und wenn sie diese Chance verpassen, wird es unmöglich sein, die Sache einen
weiteren Tag geheim zu halten. Die Polizei von Jalisco wird ihren
Liebling Barrera in Sicherheit bringen, der Gouverneur wird sich ahnungslos geben, und
alles ist vorbei.
Es muss also
passieren, jetzt. Keller starrt auf die Haustür gegenüber. Bitte, lieber Gott,
mach sie hungrig. Schick sie zum Frühstücken.
Er starrt auf
die Haustür, als könnte er sie mit Blicken öffnen.
Tío ist auf Crack.
Er hängt an der
Pfeife.
Das ist tragisch, denkt Adán mit einem Seitenblick auf seinen Onkel. Was als
Pantomime angefangen hat, ist bittere Wirklichkeit geworden, als hätte sich Tío in eine Rolle
hineingesteigert, die er nun nicht mehr abschütteln kann. Schon immer ein hagerer
Mensch, ist er nun vollends abgemagert, er isst nicht mehr, raucht eine Zigarre
nach der anderen. Und wenn er den Rauch nicht inhaliert, hustet er ihn aus.
Sein pechschwarzes Haar ist silbern geworden, seine Haut hat einen gelblichen
Teint, und er hängt an einem Glukose-Tropf, den er am Ständer hinter sich
herzieht wie einen Hund.
Er ist dreiundfünfzig Jahre alt.
Ein junges Mädchen kommt herein - mein Gott, ist das nun die fünfte oder
schon die sechste nach Pilar? -, pflanzt ihren fetten Hintern in den Sessel
und drückt die Fernbedienung. Raúl ist schockiert von dieser Respektlosigkeit, und das
noch mehr, als sein Onkel mit kläglicher Stimme sagt: »Herzchen, wir reden
übers Geschäft.«
Herzchen - von wegen!, denkt Adán. Das Mädchen - er weiß nicht mal ihren Namen - ist
wieder so ein matter Abklatsch von Pilar
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