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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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sie weiter, zum Bahnhof von Santa Ana, stellt das Auto auf dem
Parkplatz ab, geht in eine Telefonzelle und ruft Adán an.
    Das Weinen macht ihr keine Schwierigkeiten, die Tränen fließen wie von
selbst, während sie ihre Schluchzer unterdrückt. »Irgendwas ist schiefgegangen
.. ich weiß nicht... er wollte mich erschießen... ich...«
    »Komm zurück.«
    »Die Polizei sucht wahrscheinlich schon nach mir.«
    »Jetzt noch nicht«, beruhigt er sie. »Lass das Auto stehen, steig in den
Zug, fahr nach San Ysidro und benutze die Fußgängerbrücke.«
    »Adán, ich habe Angst.«
    »Schon gut«, sagt er. »Geh zum Treffpunkt in der Stadt und warte dort. Ich
melde mich.«
    Sie weiß, was er meint. Das haben sie vor langer Zeit abgesprochen, für
Notfälle wie diesen. Der Treffpunkt ist eine Wohnung in Tijuana.
    »Ich liebe dich«, sagt sie.
    »Ich liebe dich auch.«
    Sie steigt in den nächsten Zug nach Süden, Richtung San Diego.
    Pläne können auch schiefgehen.
    In diesem Fall
ist es so, dass die Mechaniker, die den Toyota Camry für den nächsten Einsatz
fitmachen, etwas Interessantes finden, unter der Kopfstütze des
Beifahrersitzes.
    Eine Art Wanze.
    Der Chef geht
los, telefonieren.
     
    Nora steigt in San Diego aus dem Zug, erwischt die Bahn nach San Ysidro,
läuft hinüber zur Fußgängerbrücke und passiert die Grenze.
     
    12 Flucht ins Dunkel
     
    Slippin' into darkness,
    when I heard my mother say ...
    »You been slippin' into darkness, oh, oh, oh,
    Pretty soon you're gonna pay.«
    War, Slippin'
into Darkness
     
    Tijuana
     
    1997
     
    Nora Hayden ist verschwunden.
    Das ist die einfache, brutale Wahrheit, mit der sich Keller herumschlagen
muss.
    Ernie Hidalgo, zweite Auflage.
    Quelle Chupar, das gleiche Spiel?
    Das sind die quälendsten Momente für einen Ermittler. Wenn der Kontakt
abreißt, die Signale ausbleiben, Funkstille eintritt.
    Es ist diese Stille, die ihm auf den Magen schlägt, die das Flämmchen der
falschen Hoffnung allmählich erstickt.
    Sie war nach Tijuana gefahren, um in einer Wohnung auf Adán zu warten. Aber
sie hat sich dort nicht blicken lassen, auch der Herr der Himmel nicht. Antonio Ramos dagegen hat gewaltig Präsenz gezeigt - mit zwei Trupps seiner Spezialeinheiten
in gepanzerten Fahrzeugen hat er die ganze Straße abgeriegelt und die Wohnung
gestürmt wie eine Festung.
    Nur dass sie leer war.
    Kein Barrera, keine Nora.
    Jetzt krempelt Ramos auf der Suche nach den Barrera-Brüdern die gesamte Baja-Provinz um.
    Jahrelang hat er auf diese Gelegenheit gewartet. Die Regierung in Mexico
City hat ihn von der Leine gelassen, als sich herausstellte, dass Adán Barrera Waffen für die
Aufständischen in Chiapas und anderswo schmuggelt,
und er wütet wie ein Pitbull im Blutrausch. Binnen einer Woche hat er sieben
Drogendepots hochgehen lassen, alle in den Reichenvierteln von Tijuana gelegen.
    Eine ganze Woche lang sind seine Sturmtruppen mit Panzerwagen und Humvees
ohne das geringste Zartgefühl durch die gepflegten Straßen gerattert, haben
teure schmiedeeiserne Tore gesprengt, Wohnungen auf den Kopf gestellt, den
Verkehr lahmgelegt und das Geschäftsleben für Stunden zum Stillstand gebracht.
Fast so, als hätte er es darauf angelegt, die Eliten der Stadt zu verärgern,
die tatsächlich überlegen, wem sie die Schuld an diesem Terror zuschieben
sollen - den Barreras oder dem wildgewordenen Ramos.
    Schließlich hat sich Adán
Barrera in langen Jahren vor allem darum
bemüht, sich so fest in die bessere Gesellschaft zu integrieren, dass ein
Angriff auf ihn zwangsläufig zu einem Angriff auf die Oberschicht werden
musste. Und die erhebt jetzt ein wütendes Geschrei, beschwert sich in Mexico
City, Ramos sei außer Rand und Band und trample auf ihren Bürgerrechten herum.
    Ramos ist es egal, ob
ihn die Reichen hassen. Er hasst sie mindestens genauso und ist überzeugt,
dass sie ihre Seelen, sofern vorhanden, längst an die Barrera-Brüder verkauft
haben, dass die Drogenbosse bei ihnen ein und aus gehen, dass sie ihren Söhnen
und Neffen erlauben, ins Schmuggelgeschäft einzusteigen, die sich damit den
billigen Kitzel des Abenteuers und zugleich das schnelle Geld verschaffen. Und
die Herrschaften, sagt sich Ramos, feiern die Barreras, als wären sie Rockmusiker,
Filmstars.
    Das sagt er ihnen auch ins Gesicht, wenn sie kommen, um sich zu
beschweren.
    Jetzt hört mal zu, erklärt Ramos den Honoratioren von Tijuana. Diese Verbrecher
haben einen katholischen Kardinal ermordet, und ihr ladet sie in eure

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