Winslow, Don
Häuser
ein. Sie haben reihenweise Bundespolizisten niedergemäht, auf offener Straße,
und ihr habt sie gedeckt. Sie haben euren Polizeichef ermordet, und ihr habt
keinen Finger gerührt. Also kommt mir jetzt nicht mit Klagen - das habt ihr
euch alles selbst eingebrockt.
Ramos spricht sogar
im Fernsehen und stellt die Stadt an den Pranger.
Er schaut direkt in die Kamera und verkündet, dass er Adán und Raúl Barrera binnen vierzehn
Tagen hinter Schloss und Riegel bringen, dass ihr Kartell auf dem Müllhaufen
der Geschichte landen wird. Er stellt sich neben Berge beschlagnahmter Waffen
und Drogen und nennt Namen - Adán und Raúl
Barrera, Fabián Martínez - in einem
Atemzug mit denen etlicher reicher Sprösslinge aus Tijuana, die er ebenfalls
hinter Gitter zu bringen verspricht.
Dann teilt er mit, dass er sechzig Federales gefeuert hat, weil ihnen die
»moralische Befähigung« für den Polizistenberuf abgehe, und erklärt es zu
einer nationalen Schande, dass es in der Baja-Provinz viele Polizisten gibt,
die dem Barrera-Kartell dienen, statt es zu bekämpfen.
Ich werde nicht kapitulieren, verkündet er. Ich setze den Kampf gegen die
Barreras fort. Wer stellt sich auf meine Seite?
Nun, nicht allzu viele.
Ein junger Staatsanwalt, ein Ermittler der Provinzpolizei, seine eigenen
Leute - und das war's auch schon.
Keller kann verstehen, warum sich die Bewohner von Tijuana nicht hinter
ihn stellen.
Sie haben Angst.
Aus gutem Grund.
Vor zwei Monaten wurde ein Polizist, der die Namen bestochener Kollegen
preisgegeben hatte, in einem Seesack am Straßenrand gefunden. Jeder Knochen in
seinem Körper war zerschlagen - eine Hinrichtung im Stil von Raúl Barrera. Drei Wochen ist
es her, dass ein anderer Staatsanwalt, der gegen die Barreras ermittelte, beim
morgendlichen Joggen in den Sportanlagen der Universität erschossen wurde. Die
Täter sind noch nicht gefasst. Und der Direktor des Gefängnisses von Tijuana
wurde aus einem fahrenden Auto heraus erschossen, als er auf seiner Veranda die
Morgenzeitung las. Man sagt, er soll einen verhafteten Barrera-Mann beleidigt
haben.
Die Barreras sind zwar auf der Flucht, aber das heißt keineswegs, dass
ihre Schreckensherrschaft vorüber ist. Die Leute werden erst dann aus ihren
Löchern kommen, wenn sie die beiden Brüder tot auf der Bahre liegen sehen.
Doch die Wahrheit ist, denkt Keller nach einer Woche Suchaktion, dass wir
gescheitert sind, und die Leute wissen es.
Raúl und Adán Barrera sind noch nicht
gefasst.
Und Nora?
Dass ihnen Adán Barrera nicht in die Falle ging, gar nicht in der Stadtwohnung auftauchte,
bedeutet wahrscheinlich, dass Noras Tarnung aufgeflogen ist. Keller hofft zwar
noch auf ein Lebenszeichen von ihr, aber die Tage vergehen, und er muss sich
darauf einstellen, dass man nur noch ihre Leiche findet.
Keller ist also nicht in bester Stimmung, als er das Bundesgefängnis von
San Diego betritt, um mit Fabián
Martínez zu plaudern, auch bekannt als el Tiburón.
Im orangefarbenen Overall, mit Handschellen und Fußfesseln wirkt der
kleine Dreckskerl nicht mehr ganz so überlegen, aber er hat immer noch das
arrogante Grinsen im Gesicht, als er ins Verhörzimmer geführt wird und sich in
den Klappstuhl plumpsen lässt.
»Sie haben eine katholische Schule besucht, oder?«, fragt Keller.
»Augustine«, sagt er, »hier in San Diego.«
»Dann kennen Sie also den Unterschied zwischen Hölle und Fegefeuer.«
»Helfen Sie meinem Gedächtnis auf.«
»Gern«, sagt Keller. »Erst mal: beides bringt Qualen. Aber das Fegefeuer
ist zeitlich begrenzt, während die Hölle für die Ewigkeit ist...«
»Ich höre.«
Keller wird deutlicher. Allein der illegale Waffenhandel bringt ihm
dreißig Jahre bis lebenslang, nicht zu reden von den verschiedenen
Drogendelikten, die alle von fünfzehn Jahren bis lebenslang bedeuten. Das wäre
also die Hölle. Doch wenn er als Kronzeuge auftritt, bedeutet das ein paar
Jahre mit allerlei peinlichen Aussagen gegen seine alten Freunde, gefolgt von
einer überschaubaren Gefängnishaft, danach einer neuen Existenz unter anderem
Namen. Das wäre das Fegefeuer.
»Erstens mal«, antwortet Fabián, »hab ich von den Waffen nichts gewusst. Ich sollte
nur Ware abholen. Zweitens, wieso Drogendelikte? Was haben Drogen damit zu
tun?«
»Ich habe einen Zeugen«, sagt Keller, »der bestätigen kann, dass Sie im
Zentrum eines großen Drogennetzwerks stehen. Sie sind ein ganz dicker Fisch,
und so fällt auch die Strafe aus - außer, Sie
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