Winslow, Don
entscheiden sich fürs
Fegefeuer.«
»Sie bluffen.«
»Hey, ich kann Ihnen die Karten auf den Tisch legen, wenn Sie wollen.
Dreißig Jahre bis lebenslang. Aber noch stehen Sie im Bieterwettbewerb mit den
anderen Kronzeugen, und wer das meiste zu erzählen hat, gewinnt.«
»Ich will einen Anwalt.«
»Also kein Deal?«
»Kein Deal.«
»Dann muss ich Sie über Ihre Rechte aufklären.«
»Haben Sie schon.« Fabián lümmelt sich auf seinem Stuhl. Er langweilt sich,
will zurück in die Zelle, in seinen Magazinen blättern.
»Das war wegen Waffenschmuggel«, sagt Keller. »Ich muss es noch mal
machen. Wegen der Mordanklage.«
Jetzt fährt er hoch. »Welche Mordanklage?«
»Ich verhafte Sie wegen Mordes an Juan Parada«, sagt Keller. »Laut
Haftbefehl von 1994. Sie haben das
Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen -«
»Sie haben nicht das Recht, mich wegen einer Sache in Mexiko zu
belangen.«
Keller beugt sich über den Tisch. »Paradas Eltern waren Einwanderer. Er
wurde in Laredo, Texas, geboren, also war er amerikanischer Staatsbürger,
genauso wie Sie. Das heißt, Sie fallen unter unsere Gerichtsbarkeit. Hey,
vielleicht kriegen Sie Ihren Prozess in Texas - der Gouverneur ist ein wahrer
Fan der Todesspritze. Wir sehen uns vor Gericht, du Arschloch.«
Jetzt kannst du mit deinem Anwalt reden. Und voll in die Scheiße treten.
Wäre Adán Barrera mit dem Auto zu Nora in die Stadtwohnung gefahren, hätte ihn die Polizei
wahrscheinlich erwischt. Aber er ging zu Fuß.
Damit hatte niemand gerechnet. Deshalb drehte er schnell um, machte sich
aus dem Staub, als er die Polizeiautos sah, lief direkt an den Straßenblockaden
vorbei, die in den umliegenden Straßen errichtet waren.
Doch ganz so gut läuft es seitdem nicht mehr.
Aus zwei Verstecken ist er schon verjagt worden, gerade noch rechtzeitig
von Raúl gewarnt, jetzt sitzt er wieder in einem geheimen Schlupfwinkel im
Rio-Viertel und wartet, dass die Sturmtrupps die Tür eintreten. Am schlimmsten
hat es das Kommunikationsnetz getroffen. Nichts geht mehr. Seine unverschlüsselten
Handys will er lieber nicht benutzen, und auch die verschlüsselten sind
gefährlich - die Polizei kann sie nicht abhören, aber möglicherweise orten. Er
weiß nicht, wer verhaftet ist, welche Häuser gestürmt sind, was in ihnen
gefunden wurde. Er weiß nicht, wer die Razzien durchführt, wen es als nächsten
trifft, ob sie wissen, wo er sich versteckt.
Wirklich Sorgen bereitet ihm aber die Tatsache, dass es keine Vorwarnung
gab.
Mit keinem Wort, mit keiner Silbe haben ihn die gut bezahlten Freunde in
Mexico City gewarnt.
Das macht ihm Angst, denn wenn sich die PRI-Politiker gegen ihn stellen,
müssen sie wirklich die Hosen voll haben. Und sie müssen unbedingt den Kopf des
Barrera-Kartells treffen, sie können sich nicht leisten, danebenzuschlagen,
sonst geht es ihnen an den Kragen.
Sie müssen mich einfach erwischen, begreift er.
Sie müssen mich töten.
Also trifft er seine Vorkehrungen. Als Erstes verteilt er die meisten
seiner Handys an seine Leute, die sich in der Stadt und in der Provinz
verteilen, mit der Anweisung, sie zu benutzen und dann zu entsorgen. (Und
natürlich laufen bei Ramos Meldungen ein, Adán Barrera halte sich in Hipódromo auf, in Chapultepec, Rosarito, Ensenada, Tecate, sogar jenseits der Grenze
in San Diego, Chula Vista,
Otay Mesa.)
Raúl geht los, kauft neue
Handys und ruft Polizisten an, die auf der Gehaltsliste stehen - Bundespolizei,
Provinzpolizei, städtische Polizei.
Das Ergebnis ist niederschmetternd. Die Provinz- und Lokalpolizisten
wissen von nichts, niemand hat sie informiert, sie können nur bestätigen, dass
die Sache von der Bundespolizei ausgeht, dass sie nichts damit zu tun haben.
Und die lokale Bundespolizei?
»Die machen sich rar«, sagt Raúl.
Sie sind schon wieder umgezogen, haben den Schlupfwinkel im Rio-Viertel
verlassen - zehn Minuten bevor er gestürmt wurde. Jetzt hocken sie in einer
Wohnung in Colonia Cacho und hoffen, wenigstens ein paar Stunden Ruhe zu haben, um rauszukriegen,
was da läuft. Aber die lokale Bundespolizei ist ihnen keine Hilfe.
»Die nehmen
einfach nicht ab«, sagt Raúl. »Ruf sie zu Hause an«, schlägt Adán vor. »Da gehen
sie auch nicht ran.«
Adán greift sich ein
neues Handy und wählt eine Nummer in Mexico City.
Niemand zu erreichen. Ihre Kontakte bei der Regierungspartei sind leider
nicht zu sprechen - aber wenn Sie ihre Telefonnummer hinterlassen, rufen wir
gern zurück...
Das
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