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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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diskrete Summe in gleicher Höhe, wird Martínez der Aufsicht
seiner Eltern unterstellt.
    Sie wollen ihn erst einmal aus dem Verkehr ziehen, deshalb bringen sie ihn
zum ländlichen Anwesen seines Onkels bei Ensenada, in der Nähe des Städtchens
El Sauzal.
    Früh am Morgen steht er auf, um auf die Toilette zu gehen.
    Er verlässt das Bett, eigentlich eine Matratze auf der Terrasse, und geht
nach unten ins Bad. Er hat draußen geschlafen, weil die Verwandten des Onkels
in allen Zimmern hausen und weil die kühle Brise vom Pazifik nachts sehr
angenehm ist. Und es ist viel ruhiger draußen - kein Kindergeschrei, kein
Streit, kein Liebeslärm, kein Schnarchen und all der andere Krach, der bei
einem solchen Familientreffen zu erwarten ist.
    Die Sonne ist gerade erst aufgegangen, schon wird es heiß. Wieder ein
langer, heißer Tag in diesem öden Haus voller neugieriger Brüder,
herrschsüchtiger Ehefrauen, verzogener Gören und einem Onkel, der sich einbildet,
ihn belehren zu können.
    Auf der Treppe merkt er, dass irgendwas nicht stimmt.
    Nicht dass da etwas ist, sondern dass da etwas fehlt.
    Der Rauch.
    Da müsste Rauch aufsteigen vom Dienstbotentrakt vorm Tor des Haupthauses.
Um die Zeit müssten die Frauen schon Tortillas backen, und der Rauch müsste über die
Grundstücksmauer steigen.
    Aber er tut es nicht.
    Seltsam.
    Ist heute irgendein Feiertag? Das kann nicht sein. Dann hätte sein Onkel
Pläne gemacht, seine Schwägerinnen hätten sich um die Tischordnung gestritten,
und er hätte schon seine Aufgabe bei den langweiligen Vorbereitungen zugewiesen
bekommen.
    Was ist mit dem Personal los?
    Dann sieht er es.
    Federales kommen durchs Tor.
    Ein Dutzend etwa, in ihren auffälligen schwarzen Uniformen und
Schirmmützen. Verdammter Mist, denkt Fabián. Er tut, was Adán ihm für solche Fälle geraten hat, und nimmt die
Hände hoch. Das gibt Ärger, so viel ist klar. Aber alles lässt sich irgendwie
einrenken. Dann sieht er, dass der Anführer der Federales hinkt.
    Er zieht das Bein nach wie Manuel Sánchez. »Nein«, haucht Fabián. »Nein, nein,
nein, nein ...«
     
    Er hätte sich lieber erschießen sollen.
    Aber sie schnappen ihn, bevor er eine Pistole findet, und zwingen ihn,
mit anzusehen, was sie mit seiner Familie machen.
    Danach fesseln sie ihn an einen Stuhl, ein großer Kerl stellt sich hinter
ihn, packt ihn bei den Haaren, so dass er sich nicht rühren kann, auch nicht,
als Manuel ihm das Messer zeigt.
    »Das ist für Raul«, sagt Manuel.
    Er macht kurze kräftige Schnitte quer über Fabians Stirn, am Haaransatz
entlang, dann zieht er ihm die Gesichtshaut in Streifen ab. Fabián strampelt mit
den Beinen, während ihm Manuel die Haut abzieht und ihm die Streifen über die
Brust hängen lässt wie Bananenschalen.
    Manuel wartet, bis er aufhört zu zucken, dann schießt er ihm in den Mund.
     
    Sie hält ihr totes Baby in den Armen.
    Aus der Position der Leichen schließt Art Keller, dass die Mutter ihr
Kind schützen wollte.
    Ich bin schuld, denkt Keller.
    Das haben diese Leute mir zu verdanken.
    Es tut mir leid, denkt er, es tut mir irrsinnig leid. Er beugt sich über
die tote Mutter mit dem Kind und macht das Zeichen des Kreuzes. »In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.«
    »El poder del perro«, hört er einen
mexikanischen Polizisten flüstern.
    Das Werk des Bluthunds.
     
    FÜNFTER TEIL
     
    Kreuzwege
     
    13 Lebende Tote
     
     
    When
you're heading for the border lord, you're bound to cross the line.
    Kris Kristofferson, Border Lord
     
     
    Putumay O -Distrikt, Kolumbien
     
    1998
     
    Keller läuft in das zerstörte Coca-Feld und pflückt ein verwelktes Blatt.
    Tote Pflanzen oder tote Menschen, denkt er. Ich bestelle mein Feld, doch
mein einziges Werkzeug ist die Sense.
    Er ist zu Ermittlungen nach Kolumbien gekommen - und um sicherzustellen,
dass DEA und CIA bei der Kongress-Anhörung aus demselben Gesangbuch singen. Die
zwei Dienste und das Weiße Hause bemühen sich beim Kongress um Rückhalt für
»Plan Colombia«, ein Hilfsprogramm in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar, das der kolumbianischen Regierung ermöglichen soll,
das Kokainproblem bei der Wurzel zu packen. Mit anderen Worten: mehr
Entlaubungsmittel, mehr Flugzeuge, mehr Hubschrauber.
    Von Cartagena sind sie mit dem Hubschrauber südwärts geflogen, nach Puerto Asís am Rio
Putumayo, nahe der ekuadorianischen Grenze. Keller ist zu Fuß zum Fluss
hinuntergelaufen, der sich als schlammiges braunes Band durch das üppige,

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