Winslow, Don
langsamer zu fahren, wird Raúl verbluten. Wenn
er ihm befiehlt, schneller zu fahren, muss Raúl noch mehr
leiden.
Ein tiefes Schlagloch, und Raúl kreischt auf vor Schmerz.
» Por favor, hermano«, murmelt er, als er wieder zu
Atem kommt.
»Was ist, Bruder?«, fragt Adán.
Raúl blickt zu ihm
auf, dann zu seiner Pistole hinüber. »Du weißt es.«
»Nein, Raúl, du wirst es schaffen.«
»Ich ... halte es nicht mehr ... aus«, röchelt Raúl. »Bitte Adán.«
»Ich kann es nicht.«
»Ich flehe dich an.«
Adán blickt Manuel
fragend an.
Der Alte schüttelt den Kopf. Raúl wird es nicht schaffen. »Anhalten«, sagt Adán.
Er nimmt die Pistole aus Rauls Gürtel, legt Rauls Kopf behutsam
aufs Sitzpolster und steigt aus dem Wagen. Die Wüstenluft duftet streng nach
Salbei.
Adán hebt die
Pistole und richtet sie auf Rauls Kopf.
»Danke, Bruder«, flüstert Raúl.
Adán drückt zweimal ab.
Keller folgt Scachi zum Strand, zu den zwei toten Söldnern, die dort
liegen. Scachi bekreuzt sie. »Gute Leute«, sagt er zu Keller. Zwei andere
Söldner schleppen die Toten zum Schlauchboot.
Keller läuft weiter zu der Stelle, wo er Nora zurückgelassen hat.
Callan kommt auf ihn zu, er trägt Nora über der Schulter, ihr langes
blondes Haar und ihre Arme hängen schlaff nach unten. Keller hilft ihm, die
leblose Nora ins Boot zu hieven.
Adán Barrera fährt nicht
nach San Felipe, sondern in ein kleines Fischercamp.
Der Manager kennt ihn und lässt sich nichts anmerken, klug, wie er ist. Er
vermietet ihnen zwei Hütten am äußersten Rand des Camps.
Manuel weiß, was zu tun ist, das muss ihm keiner sagen.
Er parkt den Landrover dicht neben seiner Hütte, schleppt Rauls Leiche ins
Bad, legt ihn in die Wanne, dann holt er ein Messer, wie es die Fischer
benutzen. Er zerlegt Rauls Körper, trennt ihm Hände, Arme, Füße, Beine und schließlich den Kopf ab.
Es ist eine Schande, dass Raúl kein würdiges Begräbnis bekommt, aber keiner darf
erfahren, dass Raúl Barrera tot ist.
Natürlich wird es Gerüchte geben, doch solange es keine Gewissheit gibt,
wird niemand wagen, sich gegen den starken Mann des Barrera-Kartells zu
stellen. Erst wenn sein Tod bestätigt ist, werden alle kommen, um sich an Adán zu rächen.
Mit einem Schuppenmesser löst Manuel vorsichtig die Haut von Rauls abgetrennten Fingerkuppen, und spült sie durch den Wannenabfluss. Dann
verstaut er die Körperteile in Plastiktüten und spült die Wanne aus. Er trägt
die Tüten'zu einem Motorboot, füllt sie mit Bleischrot, mit dem die Fischer
ihre Netze beschweren, und fährt weit hinaus. Alle paar hundert Meter wirft er
eine der Plastiktüten über Bord.
Und bei jedem Wurf spricht er ein schnelles Gebet für die Jungfrau Maria
und für Santo Jesús Malverde.
Adán steht unter der
Dusche und heult.
Seine Tränen vermischen sich mit dem Schmutzwasser, das gurgelnd im
Abfluss verschwindet.
Keller und Shag Wallace gehen zum Friedhof und legen Blumen auf Ernies
Grab.
»Einer ist noch übrig«, sagt Keller zum Grabstein. »Nur noch einer.«
Dann fahren sie zum Strand von La Jolla und verfolgen den Sonnenuntergang
an der Bar des Sea Lodge.
»Auf Nora Hayden«, sagt Keller und hebt das Bierglas. »Auf Nora Hayden.«
Sie stoßen an und verfolgen schweigend, wie der Feuerball sinkt und den
Ozean in flüssiges Gold verwandelt.
Fabián Martínez kommt aus dem
Gebäude des Bundesgerichts in San Diego geschlendert. Der Bundesrichter hat
seiner Auslieferung nach Mexiko zugestimmt.
Er ist noch im orangefarbenen Häftlingsoverall, seine Hände sind an die
Hüften gekettet, er trägt Fußfesseln, trotzdem gelingt es ihm, locker zu
schlendern wie ein Filmstar und Art Keller mit einem fiesen Blick zu streifen.
»In einem Monat bin ich draußen, du Pfuscher«, ruft er ihm zu, bevor er in
den wartenden Van steigt.
Darauf kannst du wetten, denkt Keller. Er überlegt kurz, ob er ihn stoppen
soll, dann sagt er sich: Scheiß drauf.
General Rebollo persönlich übernimmt die Gewähr für Fabián. Im Auto, auf der Fahrt zum Gericht von Tijuana,
schärft er Martínez ein: »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, aber seien Sie nicht zu
arrogant. Plädieren Sie auf nicht schuldig, und halten Sie den Mund.«
»Was ist mit la Güera ?«
»Sie ist tot.«
Im Gericht erwarten ihn seine Eltern. Seine Mutter umarmt ihn schluchzend,
sein Vater schüttelt ihm die Hand. Eine Stunde später, gegen eine Kaution von
einer halben Million Dollar und eine
Weitere Kostenlose Bücher