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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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Sicherheitsstreifen.
    Dieser Stützpunkt ist zweigeteilt, wie Keller herausfindet. Der größere
Teil gehört der 24. Brigade, der
kleinere, durch einen Zaun abgetrennt, ist offenbar für AUC-Truppen reserviert.
    Er läuft am hohen Stacheldrahtzaun entlang, um sich Einblick zu
verschaffen.
    Es ist ein Ausbildungscamp - am Schießstand sind Strohpuppen für das
Nahkampftraining aufgehängt, und es wird gerade geübt - Söldner, mit Messern
bewaffnet, schleichen sich an die Puppen an, als wollten sie feindliche Wachen
überwältigen.
    Keller schaut eine Weile zu, dann geht er in seine Unterkunft, ein kleines
Zimmer am Ende eines Kasernentrakts, nahe dem Außenzaun. Ein Fenster mit
Moskitogitter, eine Pritsche, eine Lampe und, welch Luxus, ein Ventilator.
    Er setzt sich auf die Pritsche, stützt das Kinn auf die Hand und grübelt.
Der Schweiß tropft von seiner Nase auf den Betonfußboden.
    Verflucht noch mal, denkt er. Ich und die AUC, wir sind eine Firma.
    Er legt sich hin, aber er findet keinen Schlaf.
    Es muss Stunden später sein, da hört er leises Klopfen. Es kommt von
draußen, jemand klopft an den Fensterrahmen. Als sich Javier zu erkennen gibt,
steht Keller auf.
    »Was ist?«
    »Wollen Sie mit mir kommen?«
    »Wohin?«
    »Wollen Sie mit mir kommen?«, wiederholt er. »Sie haben gefragt, wo die
Bewohner sind.«
    »Und?«
    »Red Cloud«, sagt Javier.
    Keller schlüpft wieder in die Schuhe und klettert aus dem Fenster. Geduckt
schleicht er dicht hinter Javier her, am Außenzaun entlang, immer reglos
verharrend, wenn der Suchscheinwerfer vorbeistreicht. Sie kommen an ein
kleines Tor. Der Wachmann erkennt Javier und lässt sie durch. Flach auf der
Erde kriechend überqueren sie den Sicherheitsstreifen, dann tauchen sie in den
Dschungel ein. Auf schmalen Pfaden geht es hinunter zum Fluss.
    Ich begehe eine Dummheit, denkt Keller. Eine kapitale Dummheit. Dieser
Javier lockt mich in die Falle, und morgen steht in allen Zeitungen: DEA-Boss
von FARC-Rebellen verschleppt. Aber er kann nicht anders, er muss mit. Er will
es wissen.
    Am Fluss wartet ein Kanu.
    Javier steigt ein und winkt Keller heran.
    »Ans andere Ufer?«, fragt Keller.
    Javier nickt und drängt ihn zur Eile.
    Keller steigt zu ihm ins Kanu.
    Nach ein paar Minuten Paddeln legen sie an und ziehen das Kanu an Land.
Als sich Keller umdreht, stehen vier bewaffnete und maskierte Männer vor ihm.
    »Nehmt ihn mit«, sagt Javier.
    »Du kleiner Drecksack«, flucht Keller, aber die Männer tun ihm nichts, sie
geben ihm nur das Zeichen, ihnen zu folgen, westwärts das Flussufer entlang.
Ein endloses Stolpern über Wurzeln und Ranken - aber schließlich kommen sie zu
einer kleinen Lichtung, und dort, im Mondlicht, sieht er, wo die Dorfbewohner
geblieben sind.
    Enthauptete Leichen treiben im flachen Wasser, dicht an dicht, aufgefangen
vom Ufergestrüpp, und am Ufer sind säuberlich die abgetrennten Köpfe
aufgereiht. Jemand hat ihnen die Augen zugedrückt.
    »Waren das die Guerillas?«, fragt Keller.
    Einer der Maskierten schüttelt den Kopf und erzählt ihm, was vorgefallen
ist. AUC-Truppen haben gestern das Dorf überfallen, junge Männer wurden
erschossen, Frauen vergewaltigt. Die meisten Überlebenden wurden in die
Dorfscheune gesperrt, die anderen mussten zusehen, wie die Scheune in Brand
gesetzt wurde. Dann wurden sie zu einer Brücke über den Putumayo getrieben, mit
Kettensägen enthauptet und in den Fluss geworfen - zur Abschreckung und
Warnung für die Dörfer flussabwärts.
    »Wir sind zu Ihnen gekommen«, sagt Javier, »weil wir dachten, wenn Sie
die Wahrheit sehen, werden Sie zu Hause davon berichten. Die Menschen in
Amerika - wenn die das wussten, würden sie nicht ihr Geld und ihre Soldaten
schicken.«
    »Welche Soldaten?«
    »Die AUC-Truppen«, sagt der Maskierte, »werden von Ihren Special Forces
ausgebildet.«
    Der Mann zeigt auf die Leichen und sagt auf Englisch: »Ihre Steuerdollars
- hier kommen sie zum Einsatz.«
    Auf dem Rückweg bleibt Keller stumm.
    Es gibt nichts zu sagen.
    Zurück im Stützpunkt, geht er sofort zum Zimmer von Hobbs und hämmert
gegen die Tür. Der alte Mann ist verwirrt und schlaftrunken. Er hat sich in
einen dünnen weißen Bademantel gehüllt und sieht aus wie ein Kurpatient.
    »Arthur, wie spät ist es? Mein Gott, wo haben Sie gesteckt?«
    »Red Cloud«, sagt Keller.
    »Wovon reden Sie? Haben Sie getrunken?«, fragt Hobbs.
    Aber Keller sieht ihm an, dass er weiß, wovon die Rede ist. »Läuft hier in
Kolumbien eine

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