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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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fast
erstickende Grün des Dschungels windet. Jetzt steht er am wackligen
Brettergerüst der Anlegestelle, wo lange, schmale Kanus, das
Haupttransportmittel in dieser Gegend, mit Kochbananen und gebündeltem
Brennholz beladen werden. Javier, sein Begleiter, Soldat der 24. Brigade, kommt angerannt, um ihn zurückzuholen. Mein Gott, der ist doch
kaum älter als sechzehn, denkt Keller.
    »Sie können nicht über den Fluss«, erklärt ihm Javier.
    Keller hatte das nicht vor, aber er fragt: »Warum nicht?«
    »Das da drüben« - Javier zeigt aufs Südufer -, »ist Puerto Vega. Das wird von
der FARC kontrolliert.«
    Offenbar will Javier so schnell wie möglich vom Flussufer wegkommen, also
kehrt Keller mit ihm auf »sicheres« Gelände zurück. Die Regierung kontrolliert
Puerto Asís und das Nordufer des Flusses im Bereich der Stadt, aber schon die
westliche Nachbarstadt Puerto Caicedo wird ebenfalls von der FARC beherrscht.
    Puerto Asís ist AUC-Land.
    Keller weiß Bescheid über die Autodefensas
Unidas de Columbia, die Vereinigten
Bürgerwehren Kolumbiens. Ins Leben gerufen wurden sie von dem alten Drogenbaron
Fidel Cardona, auch Rambo genannt. Von seinem Rancho im Norden Kolumbiens befehligte er rechtsradikale
Todessschwadrone - in den goldenen Zeiten des Medellin-Kartells. Dann
wechselte er die Fronten und half der CIA bei der Verhaftung von Pablo Escobar - wofür ihm im
Gegenzug alle Verbrechen verziehen wurden. Cardona zog eine neue
weiße Weste an und wurde »Vollzeitpolitiker«.
    Vorher hatte die AUC nur im Norden des Landes operiert - dass sie sich
auch hier im Putumayo-Distrikt etabliert hat, ist eine relativ neue
Entwicklung. Doch seit sie hier sind, zeigen sie auch Flagge.
    Überall in Puerto Asís sieht Keller die Paramilitärs, zu erkennen an
ihren Tarnanzügen und den roten Berets. Sie fahren mit ihren Pickups umher,
durchsuchen Passanten oder tragen ihre Gewehre und Macheten zur Schau.
    Geben den Campesinos zu verstehen: Die AUC hat hier die Macht, wir machen mit euch, was wir
wollen.
    Javier zieht ihn weiter - zu einem Konvoi aus Militärfahrzeugen in der
Hauptstraße. Neben einem der Jeeps entdeckt er John Hobbs, der ungeduldig mit
den Füßen scharrt. Wir brauchen also eine Militäreskorte, wenn wir aufs Land
fahren, denkt Keller.
    »Wir müssen uns beeilen, Seftor«, drängt Javier.
    »Klar«, sagt Keller. »Aber erst muss ich mal was trinken.«
    Eine entsetzliche Hitze. Sein Hemd ist schon durchnässt. Der Soldat führt
ihn zu einem kleinen Getränkestand, wo Keller zwei Büchsen warmes Coke ersteht,
eine für sich, eine für Javier. Die Verkäuferin, eine alte Frau, fragt ihn
etwas, in dem hastigen Lokaldialekt, den Keller nicht versteht.
    »Sie will wissen, ob Sie bar oder mit Kokain bezahlen«, dolmetscht
Javier.
    »Wie bitte?«
    Kokain ist hier gängiges Zahlungsmittel, erklärt ihm Javier. Die Leute
tragen die kleinen Beutelchen mit sich herum wie andere ihr Kleingeld. Die
meisten zahlen mit Kokain. Eine Cola mit Kokain bezahlen, denkt Keller, während
er ein paar zerknüllte, feuchte Scheine aus der Tasche zieht. Coke gegen Coke -
so gewinnen wir den Drogenkrieg.
    Jetzt steht er also auf dem zerstörten Feld und zerreibt ein verdorrtes
Coca-Blatt zwischen den Fingern. Es fühlt sich klebrig an, daher wendet er sich
an den Monsanto-Vertreter, der ihn umschwirrt wie ein Moskito, und fragt ihn:
»Mischen Sie etwa Cosmo-Flux in das Roundup?«
    Roundup Ultra ist der Handelsname für das Entlaubungsgift Glyphosat, das
die kolumbianische Armee und ihre amerikanischen Berater versprühen - aus
tieffliegenden Flugzeugen, die von Hubschraubern Feuerschutz erhalten.
    Wie sich die Bilder gleichen, denkt Keller. Erst Vietnam, dann Sinaloa,
jetzt Putumayo.
    »Ja«, sagt der Monsanto-Mann. »Dann haftet es besser an den Pflanzen.«
    »Klar. Aber damit erhöht sich auch das Vergiftungsrisiko für Menschen,
oder?«
    »Nun ja, in großen Mengen vielleicht«, erwidert der Mann. »Aber wir setzen
hier niedrige Dosen ein, und das Cosmo-Flux macht die niedrigen Dosen sehr viel
wirksamer. Viel mehr Wums fürs Geld.«
    »Welche Dosierungen werden hier verwendet?«
    Das weiß der Monsanto-Mann nicht, aber Keller lässt nicht locker. Er hält
den ganzen Konvoi auf, weil er einen Piloten anspricht und sich einen Gifttank
öffnen lässt. Nach zähem Hin und Her und allerlei Ausflüchten stellt sich
heraus, dass sie etwa zehn Liter pro Hektar einsetzen. Die erlaubte
Maximaldosis liegt nach Angaben von Monsanto bei zwei

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