Winslow, Don
Callan.
»Komm schon, sei kein Frosch!«
Alles im Salon erstarrt.
O-Bop und Little Peaches lassen ihre Mädchen stehen und peilen die Lage.
Und die ist angespannt, wie O-Bop nun feststellt.
Denn obwohl Jimmy Peaches nicht der Durchgeknalltere der Piccone-Brüder
ist - diese Ehre gebührt Little Peaches -, neigt er sehr zum Jähzorn.
Plötzlich, aus heiterem Himmel, tut er Dinge - oder schlimmer noch, verlangt
er sie von einem.
Und Jimmy ist im Moment sowieso irritiert, was Callan betrifft, denn
Callan ist - wie soll man sagen - so still, so unberechenbar geworden, seit
sie in Kalifornien sind. Das macht Jimmy nervös, weil er Callan braucht. Jetzt
will Callan auch noch mit der Frau vögeln, die Peaches vögeln will, und das ist
einfach nicht fair, weil Peaches hier der Boss ist.
Dann ist da noch was, was diesen Konflikt so gefährlich macht, und alle
wissen es, obwohl niemand in der Piccone-Crew es laut sagen würde: Peaches hat
Angst vor Callan.
Alle wissen, dass Peaches ein guter Mann ist - hart, raffiniert,
kaltblütig.
Aber Callan ist besser.
Ein eiskalter Killer, wie es keinen zweiten gibt.
Jimmy braucht ihn und hat Angst vor ihm, und das ist eine gefährliche
Kombination. Wie Nitroglyzerin auf einer Holperstraße, denkt O-Bop. Ihm
gefällt das hier überhaupt nicht. Er hat sich den Arsch aufgerissen, um mit den
Ciminos ins Geschäft zu kommen, sie fahren alle gut dabei, und jetzt soll das
wegen so einer Lappalie in die Brüche gehen?
»Jungs, was soll der Scheiß«, sagt O-Bop.
»Das ist kein Scheiß, die Sache ist ja wohl klar«, sagt Peaches.
»Ich sagte nein«, sagt Callan.
Peaches weiß, dass Callan seine 22er ziehen und ihn wegpusten kann, bevor er auch nur Piep sagt. Aber er weiß
auch, dass Callan nicht den ganzen Cimino-Clan wegpusten kann, was die Folge
wäre, wenn er Peaches wegpustet.
Das ist es, was Peaches den Rücken stärkt.
Und was Callan gewaltig anstinkt.
Er hat es satt, für die Spaghettis den Pitbull zu spielen.
Zur Hölle mit Jimmy Peaches.
Zur Hölle mit Johnny Boy,
Sal Scachi und Paulie Calabrese. Ohne den
Blick von Peaches abzuwenden, sagt er zu O-Bop: »Gibst du mir Deckung?«
»Ich gebe dir Deckung.«
Da ist sie nun, die Zwickmühle.
Es sieht nicht so aus, als würde die Sache gut ausgehen, weder für ihn
noch für irgendwen anders, bis Nora auf einmal sagt: »Lasst doch mich entscheiden.«
Peaches strahlt. »Das ist okay. Ist das okay, Callan?«
»Ist okay.«
Doch er denkt das Gegenteil. Es ist überhaupt nicht okay, dass er schon
total in sie verknallt ist, und jetzt soll er sie wieder hergeben.
»Na los«, sagt Peaches. »Entscheide dich.«
Callan spürt sein Herz klopfen, so sehr, dass er meint, alle können es
hören.
Sie blickt zu ihm auf und sagt: »Joyce wird dir gefallen. Sie ist sehr
schön.«
Callan nickt.
»Tut mir leid«, flüstert sie.
Und es ist ehrlich gemeint. Sie wollte Callan wirklich. Aber Haley, die
gerade dazugekommen ist, versucht, die Lage zu entspannen. Sie hat ihr einen
Blick zugeworfen, und Nora ist klug genug, diesen Blick zu verstehen. Sie soll
sich für den Grobian entscheiden.
Haley ist erleichtert. Dieser Abend muss ein gelungener Abend werden.
Unbedingt. Adán hat ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass es heute nicht um ihr Geschäft geht, sondern um seins. Und da Tío Barrera sie mit dem nötigen Kapital ausgestattet hat, um dieses Haus zu
eröffnen, muss sie die Geschäfte der Familie Barrera nach besten Kräften
befördern.
»Sei nicht traurig«, sagt Callan zu Nora.
Mit Joyce will er nicht. »Nichts für ungut, aber vielen Dank«, sagt er und
geht raus zum Auto. Zieht seine 22er und versteckt sie hinterm Rücken, als ein paar Minuten später ein Auto
hält, aus dem Sal Scachi steigt.
Zwar ist er kalifornisch-leger gekleidet, aber er trägt immer noch diese
hochglanzpolierten Armeeschuhe. Die Spaghettis und ihre Schuhe, denkt Callan.
Er befiehlt Scachi, stehenzubleiben und die Hände auszustrecken, damit er sie
kontrollieren kann.
»Hey, da ist ja der Scharfschütze«, sagt Scachi. »Keine Sorge, Billy
Peaches hat nichts von mir zu befürchten. Was Paulie nicht weiß ...«
Er gibt Callan einen kleinen Kinnstüber und geht ins Haus. Das tut er mit
Freude, denn die letzten paar Monate hat er einen grünen Kampfanzug getragen
und an einer CIA-Operation namens Kerberos teilgenommen. Scachi und noch ein
paar andere Kriegsveteranen, die drei Sendemasten im kolumbianischen Urwald
aufrichten und dann bewachen mussten,
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