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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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niemandem auf?
    Es muss auch ein Treibstoffproblem geben. Eine DC -4 wie die, die dort unten steht, kann die lange Strecke nicht nonstop zurückgelegt
haben. Irgendwo muss sie aufgetankt worden sein. Aber wo? Was er sich da
vorstellt, liege außerhalb des Möglichen, haben ihm seine Vorgesetzten
frohgemut erklärt.
    Ja, denkt Keller, vielleicht haben sie recht. Aber dort unten steht das
Flugzeug, randvoll mit Kokain beladen. Genauso real wie die Crack-Epidemie, die
in den amerikanischen Gettos so viel Leid verursacht. Ich weiß also, dass die
Sache funktioniert, denkt Keller. Ich weiß nur nicht, wie sie funktioniert.
    Aber das finde ich heraus.
    Und werde es beweisen.
    »Was ist da los?«, fragt Ernie?
    Ein schwarzer Mercedes hält vor einer Bürobaracke. Ein paar Federales
öffnen den Wagenschlag, und ein großer, schlanker Mann im schwarzen Anzug
steigt aus. Keller sieht die Glut seiner Zigarre, während der Mann durch ein
Spalier von Federales die Baracke betritt.
    »Ob er das ist?«, fragt Ernie.
    »Wer?«
    »Der sagenumwobene M-i persönlich.«
    »M-i« ist das mexikanische Kürzel für das nichtexistente Oberhaupt der
nichtexistenten Federación.
    Die Erkenntnisse, die Keller in den vergangenen Jahren zusammengetragen
hat, besagen, dass die Federación ihr Operationsgebiet in drei Regionen aufgeteilt
hat wie weiland Julius Cäsar das Gebiet der Gallier. Die drei Regionen, das
sind die Golfstaaten, Sonora und Baja, und zusammen decken sie die gesamte Südgrenze der
Vereinigten Staaten ab. Jede Region wird von einem der Männer kontrolliert, die
infolge der Operation Condor aus ihren Anbaugebieten in Sinaloa vertrieben
wurden, und Keller hat sogar die Namen dieser drei Männer ermittelt.
    Die Golfregion: García Ábrego.
    Die Sonora-Region: Chalino Guzmán alias el Verde, »Der Grüne«.
    Die Baja-Region: Gúero Méndez.
    Und an der Spitze dieses Triumvirats steht M-i, der seinen Sitz in
Guadalajara hat.
    Aber sie können ihm keinen Namen, kein Gesicht zuordnen.

Wirklich nicht?, fragt sich Keller. Ich bin mir ziemlich sicher, wer der
Chef der Federación ist. Ich hab ihm selbst in den Sattel geholfen.
    Keller richtet den Feldstecher auf das Barackenfenster und nimmt den Mann
ins Visier, der sich nun an einen Schreibtisch setzt. Er trägt einen
konventionellen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd mit offenem Kragen, ohne Krawatte.
Sein angegrautes schwarzes Haar ist glatt zurückgekämmt. Sein schmales Gesicht
ziert ein Oberlippenbärtchen, und er raucht eine schlanke Zigarre.
    »Schau dir die Federales an«, sagt Ernie. »Die salutieren wie beim
Papstbesuch. Also, ich hab den Kerl noch nie gesehen. Du etwa?«
    »Nein«, sagt Keller und legt den Feldstecher hin. »Ich auch nicht.«
    Nicht in den letzten neun Jahren, zumindest. Aber Tío hat sich nicht
sehr verändert.
     
    Sie haben ein Haus im Tlaquepaque-Viertel gemietet - kleine alte Stadthäuser,
viel Grün, Boutiquen und gehobene Restaurants.
    Als Keller nach Hause kommt, schläft Althea schon. Kein Wunder, denkt
Keller, es ist ja auch drei Uhr nachts. Die vergangenen zwei Stunden hat er
damit verbracht, M-i zu verfolgen und seine Tarnung aufzudecken, was keine
leichte Sache war. Er hatte mit Ernie auf den schwarzen Mercedes gewartet, bis
er auf die Landstraße einbog, die zurück nach Guadalajara führte, und war ihm
mit sicherem Abstand durch die Altstadt gefolgt, vorbei an den vier Plätzen - Plaza
de Armas, Plaza de la Liberación, Plaza de la Rotonda de los Hombres und Plaza Taparía -, in deren Mitte die Kathedrale steht. Dann durch das moderne Geschäftsviertel
und wieder hinaus an den Stadtrand, wo der schwarze Mercedes schließlich in den
Hof eines Autohändlers einfuhr.
    Deutsche Importe. Luxuskarossen.
    Aus sicherer Entfernung beobachteten sie, wie Tío im Gebäude
verschwand, ein paar Minuten später wieder herauskam und in einen neuen
Mercedes 510 stieg. Diesmal
ohne Chauffeur, ohne Wachmänner. Sie verfolgten ihn in ein reiches
Villenviertel, wo Tío in eine Einfahrt einbog, ausstieg und in seinem Haus verschwand.
    Wie ein ganz normaler Geschäftsmann nach einem langen Arbeitstag.
    Wunderbar, denkt Keller. Morgen früh trage ich die Adresse des Autohändlers
und von Tíos Villa in die Fahndungsakte ein und liefere die komplette Identität von
M-i.
    Miguel Angel Barrera.
    Tío Angel.
    Keller öffnet die Hausbar und gönnt sich einen Johnny Walker Black Label.
Dann geht er durch den Flur, nach den Kindern schauen. Cassie ist fünf und
sieht gottlob

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