Winslow, Don
die DEA, das Außenministerium und auch der Justizminister. Und keine dieser
erwähnten Instanzen ist sonderlich interessiert an Art Kellers Phantasien über
angebliche mexikanische Drogenkartelle.
Keller weiß, wie sie über ihn reden. Dass er zu einer echten Belastung
wird, weil er sie jeden Monat mit seinen Berichten bombardiert, weil er ein
Häuflein Opiumbauern, die vor neun Jahren aus den Bergen von Sinaloa vertrieben
wurden, zu einer »Federacion« aufbauscht. Weil er allen auf den Nerv geht wegen
der paar Figuren, die Marihuana, vielleicht auch ein bisschen Heroin in Umlauf
bringen, wo er doch wissen müsste, dass die USA von einer wahren Crack-Epidemie
heimgesucht werden, und das dafür nötige Kokain kommt aus Kolumbien, nicht aus
dem verdammten Mexiko.
Sie haben ihm sogar Tim Taylor aus Mexico City rübergeschickt, damit er
ihm sagt, er soll endlich Ruhe geben. Der DEA-Resident in Mexiko hat Art
Keller, Ernie Hidalgo und Shag Wallace im Hinterzimmer des DEA-Büros von
Guadalajara versammelt und ihnen verkündet: »Die eigentlichen Sachen laufen
woanders, das müsst ihr Jungs endlich mal kapieren, statt Dinge zu erfinden,
die -«
»Wir erfinden gar nichts«, hat Keller ihm erwidert.
»Wo sind die Beweise?«
»An denen arbeiten wir.«
»Nein«, hat Taylor gesagt. »Wo nichts ist, gibt es auch nichts zu
beweisen. Der Justizminister der Vereinigten Staaten hat vorm Kongress erklärt
-«
»Ich hab die Rede gelesen.«
»- dass das mexikanische Drogenproblem beseitigt ist. Wollt ihr den
Minister aussehen lassen wie ein Arschloch?«
»Ich glaube, das schafft er auch ohne unsere Hilfe.«
»Das werde ich ihm berichten, Arthur, da können Sie Gift drauf nehmen. Und
ich werde dafür sorgen, dass Sie nicht in Mexiko rumlaufen und Phantomen
nachjagen, die gar nicht existieren. Haben wir uns da verstanden?«
»Klar«, hat Keller gesagt. »Wenn mir jemand mexikanisches Kokain verkaufen
will, soll ich einfach nein sagen.«
Jetzt, drei Monate später, beobachtet er nichtexistente Federales dabei,
wie sie nichtexistentes Kokain auf nichtexistente Lkw verladen und an die
nichtexistenten Mitglieder der nichtexistenten Federación liefern.
Offenbar gibt es ein Gesetz der paradoxen Wirkungen, denkt Keller beim
Anblick der Kisten schleppenden Federales. Operation Condor sollte das
Krebsgeschwür der Opiumproduktion beseitigen, doch bewirkt hat sie, dass sich
überall im Land Metastasen bilden. Das muss man den Opiumbauern von Sinaloa
lassen - ihre Reaktion auf die Vertreibung war einfach genial. Sie haben
begriffen, dass ihr wertvollstes Kapital nicht die Drogen sind, sondern die
zweitausend Meilen gemeinsame Grenze mit den USA. Den Boden kann man vergiften,
Ernten kann man verbrennen, Menschen kann man vertreiben, aber diese Grenze
steht fest, ihr kann man nichts anhaben. Und eine Ware, die auf der einen Seite
der Grenze ein paar Cent wert ist, lässt sich auf der anderen Seite für zig
Dollar verkaufen.
Die Ware, um die es geht, ist - allen offiziellen Verlautbarungen zum
Trotz - Kokain.
Die Federación hat eine sehr einfache und profitable Vereinbarung mit dem
Medellin-Kartell und dem Cali-Kartell geschlossen. Die Kolumbianer zahlen
tausend Dollar für jedes Kilo Kokain, das die Mexikaner in die USA schmuggeln.
Mit anderen Worten, die Federación ist von der Drogenproduktion auf den
Drogentransport umgestiegen. Die Mexikaner übernehmen das Kokain aus Kolumbien,
bringen es zu den Depots entlang der US-Grenze, schmuggeln es auf die andere
Seite und übergeben es dort an die Kolumbianer, die ihnen die versprochenen
tausend Dollar pro Kilo zahlen und das Kokain in ihren Labors zu Crack verarbeiten -
das dann Wochen, manchmal auch nur Tage später, nachdem das Kokain Kolumbien
verlassen hat, auf den Straßen der USA vertrieben wird.
Das alles läuft nicht über Florida - weil die DEA auf diese
Schmuggelroute eindrischt wie auf einen Maulesel -, sondern über die schlecht
bewachte mexikanische »Hintertür«.
Und dank der Federación, denkt Keller, läuft die Sache wie geschmiert.
Aber wie?, fragt er sich und muss zugeben, dass seine Theorie einige
gravierende Lücken hat. Wie kann ein Flugzeug durch ganz Mittelamerika fliegen,
von Kolumbien bis Guadalajara, ohne vom Radar erfasst zu werden? Über ein
Gebiet, das nicht nur von der DEA kontrolliert wird, sondern, dank dem kommunistischen
Sandinista-Regime in Nicaragua, auch von der CIA? Dazu kommen
Spionagesatelliten, AWACS-Aufklärer - und doch fallen diese Flüge
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