Winslow, Don
Keller. »Wenn du der Angst machst, wenn die auch nur
ahnen, dass du hier draußen stehst, dann nehme ich dir deine pistola weg und schieb sie dir in den Arsch. Hast du mich
verstanden, Bruder?«
»Ich mache nur meinen Job, Bruder.«
»Dann gib dir ein bisschen mehr Mühe.«
Aber Tíos Botschaft ist angekommen, denkt Keller, als er ins Haus zurückgeht - seine
Freunde verrät man nicht.
Nach einer so gut wie schlaflosen Nacht kocht sich Keller eine Tasse
Kaffee und wartet, bis die Familie wach wird. Dann macht er den Kindern
Frühstück, gibt Althea einen Abschiedskuss und fährt ins Büro.
Auf dem Weg dorthin hält er an einer Telefonzelle, um beruf lichen Selbstmord zu begehen - er ruft den Sheriff von Pierce County,
Arizona an. »Fröhliche Weihnachten«, sagt er und erzählt von den achthundert
Geschenkpackungen mit Kokain. Dann fährt er weiter und wartet im Büro auf
seinen Anruf.
Als Althea am nächsten Vormittag vom Einkaufen nach Hause fährt, wird sie
von einem seltsamen Auto verfolgt. Der Fahrer macht kein Hehl aus seiner
Absicht, fährt einfach hinter ihr her und bleibt immer dicht dran. Sie weiß
nicht, wie sie reagieren soll, hat Angst, nach Hause zu fahren, und traut sich
auch nicht woandershin, also schlägt sie den Weg zum Büro der DEA ein. Sie ist
völlig verschreckt - die beiden Kinder sitzen hinter ihr -, und kurz vorm Büro
wird sie von dem Auto gestoppt. Vier bewaffnete Männer steigen aus.
Der Anführer zückt das Abzeichen der Provinzpolizei.
»Können Sie sich ausweisen, Señora Keller?«
Mit zitternder Hand kramt sie nach dem Führerschein. Währenddessen beugt
sich der Mann durchs Fenster. »Nette Kinder«, sagt er.
»Danke«,
erwidert sie und ärgert sich auch schon darüber. Sie reicht dem Mann den
Führerschein. »Haben Sie einen Pass?«
»Zu Hause.«
»Sie sind
verpflichtet, ihn bei sich zu tragen.«
»Ich weiß, aber
wir wohnen hier schon lange, und ich -«
»Vielleicht zu
lange«, erwidert der Mann. »Sie müssen leider mitkommen.«
»Aber ich habe meine Kinder bei mir.«
»Das sehe ich selbst, Señora. Trotzdem müssen Sie mitkommen.«
Jetzt ist Althea den Tränen nahe. »Was soll ich denn mit meinen Kinder
machen?«
Der Polizist befiehlt ihr zu warten und geht zu seinem Auto. Lange Minuten
sitzt Althea da und versucht, sich zu beruhigen. Sie kämpft gegen die
Versuchung, in den Rückspiegel zu schauen, gegen den Impuls, einfach
auszusteigen und mit den Kindern zu Fuß weiterzugehen. Endlich kommt der
Polizist zurück, beugt sich durchs Fenster und sagt mit ausgesuchter
Höflichkeit: »In Mexiko genießt die Familie einen hohen Stellenwert. Guten
Tag.«
Keller bekommt seinen Anruf.
Es ist Tim Taylor. Ihm seien da Dinge zu Ohren gekommen, die müsse er
jetzt klären.
Taylor bellt immer noch in den Hörer, als die Schüsse krachen.
PlanB.
Erst hören sie ein Auto, das sich mit Vollgas nähert, dann das Geknatter
aus mehreren Kalaschnikows. Keller, Ernie und Shag werfen sich zu Boden, ducken
sich hinter die Schreibtische. Nach ein paar Minuten gehen sie hinaus und sehen
nach Kellers Auto. Der Ford Taurus hat keine Scheiben mehr, die Reifen sind
platt, die Fahrerseite ist von ein paar Dutzend Einschusslöchern geziert.
»Den Listenpreis zahlt dir jetzt keiner mehr«, sagt Shag.
Es dauert keine Minute, und die Federales sind da.
Wenn sie nicht schon vorher da waren, denkt Keller.
Sie nehmen ihn mit aufs Revier, wo ihn Oberst Vega schon erwartet,
mit tiefbesorgtem Blick.
»Danken Sie Gott, dass Sie nicht in dem Fahrzeug saßen«, sagt er. »Ich
frage mich, wer so etwas tut. Haben Sie irgendwelche Feinde in der Stadt, Señor Keller?«
»Sie wissen verdammt gut, wer das war«, zischt ihn Keller an. »Ihr
Musterknabe, Barrera.«
Vega starrt ihn
ungläubig an. »Miguel Angel Barrera? Warum sollte er so etwas tun? Sie sagten
mir doch selbst, dass Sie nicht gegen Don Miguel ermitteln.«
Vega hält ihn
dreieinhalb Stunden im Verhörzimmer fest und fragt ihn nach seinen Ermittlungen
aus - unter dem Vorwand, ein Motiv für den Überfall zu suchen.
Ernie hat schon Angst, dass sie Keller gleich dabehalten. Er pflanzt sich
im Vorraum auf und will nicht eher gehen, bis sein Boss aus einer der Türen kommt. Während Ernie also ausharrt, fährt Shag zu
Althea nach Hause und bringt ihr die Nachricht: »Keller ist unversehrt, aber
...«
Als Keller nach Hause kommt, findet er Althea im Schlafzimmer, beim
Packen.
»Ich hab uns einen Flug gebucht«, sagt sie.
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