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Winslow, Don

Winslow, Don

Titel: Winslow, Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tage der Toten
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fängt von vorne an.
     
    Antonio Ramos ist auf der Müllkippe von Tijuana groß geworden.
    Und das ist wörtlich zu nehmen.
    Er hat in einem Verschlag am Rand der Müllkippe gelebt und sein Essen,
seine Kleidung, selbst seinen Verschlag aus dem Müll zusammengeklaubt. Als sie
in der Nähe eine Schule bauten, ist Ramos hingegangen, jeden Tag, und wenn ein Kind ihn
hänselte, weil er nach Müll stank, verprügelte er das Kind. Ramos war groß und
kräftig - unterernährt zwar, aber hochgewachsen, mit flinken Händen.
    Nach kürzester Zeit schon wurde er nicht mehr gehänselt.
    Er schaffte die Schule bis zum Abschluss, und als ihn die Polizei von
Tijuana in Dienst nahm, war das für ihn die Erlösung. Guter Lohn, gutes Essen,
saubere Sachen. Er sah nicht mehr aus wie ein Hungerleider, gewann Statur, und
seine Vorgesetzten stellten fest, dass er nicht nur Härte besaß, sondern auch
Intelligenz.
    Der DFS, der mexikanische Geheimdienst, stellte das ebenfalls fest und
warb ihn an.
    Und wenn es irgendeine Sache gibt, die Intelligenz und Härte erfordert,
kriegt Ramos den Job.
    Er hat den Auftrag bekommen, den amerikanischen DEA-Agenten Hidalgo
aufzuspüren, um jeden Preis.
    Keller holt ihn vom Flughafen ab.
    Ramos hat ein
gebrochenes Nasenbein, auch manche andere Fraktur hat ihre Spuren hinterlassen.
Seine dichte schwarze Mähne streicht er immer mal wieder vergeblich aus der
Stirn. Zwischen die Lippen geklemmt hat er sein Markenzeichen - die schwarze
Zigarre.
    »Jeder Polizist braucht ein Markenzeichen«, belehrt er seine Leute. »Die
bösen Buben sollen sagen: Hütet euch vor dem Macho mit der
schwarzen Zigarre.«
    Und das tun sie.
    Sie geben offen zu, dass sie Angst vor Ramos haben, denn
sein wohlverdienter Ruf gründet sich auf eine ganz besonders brutale Art von
Selbstjustiz. Ganoven, die es mit ihm zu tun bekamen, sollen schon, so heißt
es, nach der Polizei geschrien haben, doch vergeblich, denn auch die Polizei
will sich nicht mit Ramos anlegen.
    In Tijuana, nahe der Avenida
Revolución, gibt es eine Gasse, und diese Gasse
heißt im Volksmund La Universidad de Ramos. Sie ist übersät von Zigarrenstummeln und ausgespuckten Missetaten. Und
die Gasse heißt so, weil Ramos dort., als er noch Streifenpolizist war, den
Ganoven, die sich für harte Jungs hielten, seine Lektionen erteilte.
    »Ihr seid nicht hart«, pflegte er ihnen zu sagen. »Wenn einer hart ist,
bin ich es.«
    Dann zeigte er ihnen, wie hart er war. Und damit sie es nicht vergaßen,
konnten sie die Erinnerung daran noch Jahre später im Spiegel betrachten.
    Sechs Bösewichter haben versucht, ihn umzubringen. Ramos ging zu allen
sechs Beerdigungen, nur für den Fall, dass sich die Hinterbliebenen an ihm
rächen wollten. Keiner tat es. Seine Uzi nennt er »mi
esposa« - meine Angetraute. Er ist zweiunddreißig
Jahre alt.
    Nach ein paar Stunden hat er die drei Polizisten gefunden, die Ernie
Hidalgo festgenommen haben. Einer von ihnen ist der Polizeichef der Provinz
Jalisco.
    Ramos sagt zu Keller:
»Wir können es auf die schnelle Tour machen oder auf die langsame.«
    Ramos zieht zwei
Zigarren aus der Hemdtasche, bietet Keller eine an und zuckt die Schultern, als
Keller abwinkt. Er nimmt sich viel Zeit für seine Zigarre, rollt sie sorgfältig
zwischen den Fingern, damit sie gleichmäßig brennt, dann nimmt er einen langen
Zug und mustert Keller mit hochgezogenen schwarzen Augenbrauen.
    Die Theologen haben recht, denkt Keller. Wir werden, was wir hassen.
    Dann sagt er: »Die schnelle Tour.«
    Ramos darauf: »Bin
bald wieder da.«
    »Nein«, sagt Keller. »Ich will dabei sein.«
    »Das ist die Antwort eines Mannes«, sagt Ramos. »Aber ich will
keine Zeugen.«
     
    Ramos bringt den
Polizeichef von Jalisco und die zwei Federales in einen Kellerraum.
    »Ich hab nicht die Zeit, mich mit euch rumzuärgern, Jungs«, sagt Ramos. »Das Problem
ist: Im Moment habt ihr mehr Angst vor Miguel Ángel Barrera als vor
mir. Das werden wir jetzt ändern.«
    »Bitte«, sagt der Polizeichef. »Wir sind alle Polizisten.«
    »Nein, ich bin Polizist«,
sagt Ramos und zieht sich schwarze, gepanzerte Handschuhe an. »Der Mann, den ihr
gekidnappt habt, ist Polizist. Du bist ein Stück Scheiße.«
    Er hält die Hände mit den Handschuhen hoch, damit sie sich einen Eindruck
verschaffen können.
    »Ich will mir nicht die Hände verletzen«, sagt Ramos.
    Der Polizeichef sagt: »Wir können uns doch auch so einigen.«
    »Nein«, sagt Ramos. »Können wir nicht.«
    Er wendet sich an den

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