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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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ersten paar Jahren ganze Stöße geschickt, später aber damit aufgehört.
    Doch jetzt schien es so, als hätte sich Warriewood gegen mich gewandt, mir seine andere, dunkle und bedrohliche Seite gezeigt. Dieses Erlebnis erschütterte mich mehr als alles andere seit meiner Rückkehr. Ich ging zum Hof zurück, die Arme fest um meinen Körper geschlungen, als umarmte ich mich selbst, wie ich es oft, wie ich es eigentlich immer schon getan hatte. Umarmungen waren in meinem bisherigen Leben selten gewesen. Der Hof wirkte kalt und verlassen, obwohl es doch gar nicht so kalt war. Aber ich schien außerstande, einen warmen Ort zu finden.
    Am Ende kroch ich ins Bett, nachdem ich alle warmen und schweren Kleidungsstücke, die ich besaß, zu einer dicken Decke geschichtet hatte, unter der ich mich zu einer kleinen Kugel einrollte. Mit dem Daumen im Mund schlief ich ein.
17
    Ich versuchte alle nur erdenklichen Schritte, bevor ich nach Bannockburn und zum Haus meiner Großtante Rita zurückkehrte. Ich besuchte die Redaktion des Christie Courier, der lokalen Zeitung, und stöberte in den Archiven. Dabei stieß ich auf einen langen Artikel über den Tod meiner Mutter – nur war er eigentlich mehr ein Nachruf auf ihr Leben. Jede Menge Details über ihre Trophäen bei den Reit- und Schießbewerben, die Border Terrier, die sie gezüchtet hatte, ihre ehrenamtliche Arbeit für Essen auf Rädern, im Ausschuss der Kunstmesse von Exley und in der Vorschule von Christie.
    Sie klang wirklich beinahe wie eine Heilige. Eines war klar: Es würde mir nie gelingen, ihren Ansprüchen zu genügen.
Im Courier stand, sie sei bei einem Schießunfall gestorben, auf Einzelheiten wurde jedoch nicht eingegangen.
Jessica meinte, ich solle versuchen den Polizisten ausfindig zu machen, der den Tod meiner Mutter untersucht hatte. Es musste einen Polizisten gegeben haben. Das brachte mich aber auch keinen Schritt weiter. Die Polizei von Christie war nicht interessiert. Die Beamten erklärten sich lediglich bereit, die Personalakten durchzusehen. Anschließend teilten sie mir mit, dass ein Sergeant Bruxton für die Ermittlung zuständig gewesen sei, dass ihn im Polizeirevier aber keiner kannte, noch je von ihm gehört hätte.
Matthew brachte mich auf die Idee, mich beim Gericht von Exley nach dem Bericht eines Leichenbeschauers zu erkundigen. Dort waren die Leute wenigstens hilfsbereit. Ein Typ, der mit einem so starken schottischen Akzent sprach, dass ich ihn kaum verstand, blätterte mindestens eine halbe Stunde lang in alten Akten. Schließlich fand er den aus einem Absatz bestehenden Untersuchungsbericht. Er enthielt das Datum, den Namen des Leichenbeschauers, den Namen meiner Mutter und den Befund: Tod durch Missgeschick.
»Was soll das heißen?«, fragte ich.
»Ein Unfall ohne kriminelle Begleitumstände oder Fahrlässigkeit«, erklärte er ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ein was?«
Ich verstand ihn erst beim dritten Anlauf und nachdem Jess ihn gebeten hatte, mit australischem Akzent zu sprechen, und er den Satz langsam wiederholte, wobei er für das Wort »Begleitumstände«, bei dem ich ausgestiegen war, gut fünf Minuten brauchte.
Allmählich lernte ich meine diversen Nachbarn kennen und fragte diejenigen unter ihnen, die mir sympathisch waren, ob sie etwas wüssten, aber auch das brachte mich nicht weiter. Mr Kennedy erkundigte sich ebenfalls, doch alle sagten das Gleiche: Frag Mrs Harrison, frag Mrs Stone.
Dann meinte Matthew eines Tages: »Warum besuchst du nicht Dr Couples?«
»Dr wen?«
»Nicht den, der Mann heißt Dr Couples.«
»Ha, ha, sehr witzig. Wer ist Dr Couples?«
»Er war damals der einzige Arzt in Christie. Heute ist er im Ruhestand, aber er ist immer noch ziemlich fit und übernimmt ab und zu die Vertretung für die anderen Ärzte. Er wohnt in einem alten Ziegelhaus am Stadtrand, das letzte Haus auf der rechten Seite.«
Das war eine geniale Idee und ich wollte den Doktor sofort anrufen, es stellte sich aber heraus, dass er eine Geheimnummer hatte. Also machte Mr McGill die Nummer für mich ausfindig und drei Tage später läutete ich an seiner Tür. Die Melodie der Glocke klang wie ein miserables Orchester, das für die Probe einer Fahrstuhlmusik seine Instrumente stimmt.
Nach einer Weile hörte ich leise Schritte. Die Tür ging auf und vor mir stand ein großer, etwas gebeugter und schlanker Mann mit schütterem weißen Haar.
»Die Frage, wer du bist, erübrigt sich«, sagte er. »Komm herein.«
Er hatte eine angenehme, sanfte

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