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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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Ende doch aufgehalten
hatte. Etwas so Mörderisches wie eine Kugel.
»Mir wurde erzählt, dass sie nach dem Tod meines Vaters
immer deprimierter wurde«, versuchte ich es anders, um ihr
die Möglichkeit zu geben, zu ihrer Geschichte zurückzukehren. Sie durfte auf keinen Fall zu reden aufhören. Ich klammerte
mich an jedes Wort. Das war meine Geschichte. Die Lücke in
meinem Leben, die allmählich gefüllt wurde, Stein für Stein,
Wort für Wort.
»Ja, ich denke, das stimmt«, sagte Mrs Stone. »Sie haben sich
so geliebt. Phyllis zog Liebe an wie ein Magnet. Menschen, die
ihr nur ein oder zwei Mal begegnet sind, sprachen in einem
Ton von ihr, als liebten sie sie, als wären sie beste Freunde.
Mrs Harrison vergötterte sie. Für sie war Phyllis die Tochter,
die sie selbst nie gehabt hat. Deshalb war sie auch so am
Boden zerstört… deshalb wollte sie dich nicht sehen. Sie hat
seither nie wieder von Phyllis gesprochen und auch nie wieder
den Tag erwähnt… an dem der Unfall passiert ist.«
»Wie genau ist es denn passiert?«, fragte ich so behutsam wie
möglich.
Das war der entscheidende Moment. Wenn ich sie jetzt dazu
brachte, mir alles zu erzählen, würde ich vielleicht
zufriedengestellt werden.
Sie warf einen Blick auf Jessica und zögerte.
»Äh, ist das das Stichwort, bei dem ich gehe?«, fragte Jessica
und stand auf.
»Nein, das ist schon in Ordnung«, erwiderte ich eine Spur zu
rasch, wie mir angesichts Mrs Stones neuerlichem Zögern klar
wurde.
Eines musste man Jess lassen: Sie war unglaublich
aufmerksam. Ihr genügten kleine Hinweise. Ganz wie ihr
Vater. Sonst wäre sie gar nicht erst aufgestanden.
»Ich geh schon«, sagte sie. »Möchten Sie noch eine Tasse
Tee?«
»Nein. Nein, danke. Der Tee war köstlich.«
Jessica verließ das Zimmer. Ich hätte sie zwar gerne dabei
gehabt, als moralische Stütze, aber ich glaube nicht, dass Mrs
Stone so frei gesprochen hätte, wäre noch jemand da gewesen. Doch auch ohne Jessicas Anwesenheit fiel es ihr schwer,
einen Anfang zu finden. Ich versuchte ihr zu helfen. »Was genau ist damals passiert?«, wiederholte ich meine
Frage.
Sie ließ den Kopf sinken und ich dachte zu sehen, wie sich
eine kleine Träne löste und herabfiel.
»Wollte sie Schießübungen machen? War es da drüben auf
der Weide mit den Maulbeerbäumen?«
Sie nickte und schniefte. »Du erinnerst dich also doch?« »Nein, eben nicht. Aber als ich auf der Weide war, spürte ich
die seltsamsten Schwingungen. Danach war ich überzeugt,
dass es der Ort sein musste, wo sie gestorben ist. Ich weiß
nicht, ob das eine Erinnerung ist oder so was.«
»Das war ihr Schießstand«, sagte sie. »Er war nicht
besonders lang, aber sie mochte ihn, weil der Wind auf der
Weide ständig wechselte. Sie fand, das war gut fürs Training.
Die Bedingungen waren jeden Tag anders.«
»Hat sie an diesem Tag trainiert?«, fragte ich. »Nahm sie
mich mit?«
»Du warst noch so klein«, sagte sie. »Kein Mensch wäre auf
die Idee gekommen, dass du eine Schusswaffe bedienen
könntest. Niemand. Phyllis hatte es dir nie gezeigt. Du warst
einfach zu intelligent, das wurde dir zum Verhängnis. Du
kannst ihr höchstens ein oder zwei Mal zugesehen haben, wie
sie den Sicherheitshahn bediente. Sie hatte gerade mit dem
Training für die nationalen Bewerbe begonnen und Mrs
Harrison und ich nahmen dich mit auf die Weide, damit du ein wenig rauskamst und deiner Mum zusehen konntest. Als wir auf die Weide kamen, hatte Phyllis zwei oder drei Gewehre an den Laster gelehnt und auch das eine, mit dem sie gerade schoss. Du hast eines in die Hand genommen – du konntest es ja kaum halten –, und bevor noch irgendjemand etwas gemerkt hat, hast du den Auslöser nach vorne geschoben und abgedrückt. Ich bilde mir ein, dass du beim Abdrücken sogar noch ›bäng bäng‹ gerufen hast. Ich dachte, ich hätte gesehen,
wie dein Mund die Worte formte.«
Jetzt zitterte sie. »Für dich war es nur ein Spiel. Phyllis brach
zusammen, ohne einen Ton von sich zu geben. Wir versuchten
die Blutung zu stoppen, sie wiederzubeleben, aber es war vom
ersten Moment an aussichtslos. Sie war auf der Stelle tot. Als
wir endlich begriffen, dass nichts mehr zu machen war, sahen
wir uns nur an. Dann übernahm Mrs Harrison das Kommando.
Sie musste gar nichts sagen, ich wusste auch so, was sie
dachte. Wenn die Presse Wind davon bekam, von dir, es hätte
ein unerhörtes Aufsehen gegeben. Deine Tante, das heißt,
deine Großtante hasste alles Derartige. Sie nahm das Gewehr
und legte

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