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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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es hinter dem Laster auf die Erde. Dann holte sie den
Hund und sperrte ihn im Fahrerhaus ein. Das war nicht einfach
– der Hund war extrem unruhig. Er wusste, da war etwas nicht
in Ordnung. Aber deine Tante ließ keinen Widerspruch zu. Sie
hob den Hund hoch und schleuderte ihn mehr oder weniger
hinein. Dann sagte sie, ich sollte dich hierher auf den Hof
bringen und die Polizei und den Arzt rufen. »Bringen Sie
Winter nicht mehr hierher«, sagte sie. »Bleiben Sie bei ihr im
Haus. Zeigen Sie der Polizei und Dr Couples einfach den Weg,
um den Rest kümmere ich mich.« Ich war mit allem
einverstanden. Sie ist sehr klug und ich wusste, dass ich mich
auf sie verlassen konnte und dass sie eine Lösung finden und
alles in Ordnung bringen würde. Sergeant Bruxton kam zwar
auch ins Haus, um mit mir zu reden, aber ich behauptete, ich sei nicht dabei gewesen und hätte nichts gesehen. Und wie gesagt, er gab sich damit zufrieden. Er wollte nicht einmal wissen, ob du dort warst, er ging wohl davon aus, dass du es
nicht warst.«
»Und Sie haben nie mit jemandem darüber gesprochen?« »Nein, nie«, antwortete sie. »Ich könnte mir vorstellen, dass
Mrs Harrison die Leute informiert hat, bei denen du dann
gewohnt hast, Phyllis’ Halbschwester in Canberra.« »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir alles erzählt haben.
Und dass Sie hergekommen sind, um nach mir zu sehen.« »Weißt du, ich freue mich, dass du endlich wieder daheim
bist«, sagte sie. »Wie ich höre, leistest du gute Arbeit, um das
alte Anwesen wieder auf Vordermann zu bringen. Ich hoffe, du
bist für immer zurück. Mrs Harrison wird dich sicher sehen
wollen. Gib ihr aber noch ein paar Tage Zeit. Sie war in einer
schlimmen Verfassung, nachdem du weggelaufen bist.« »Ich würde sie gerne wiedersehen«, sagte ich. »Ich könnte
mir vorstellen, dass wir einiges gemeinsam haben.« Es fiel mir nicht leicht, zu den Gräbern zurückzukehren. Als ich das erste Mal hinging, wäre ich niemals auf den Gedanken
gekommen, meine Mutter könnte wegen mir dort liegen. Eigentlich wollte ich bei meinem zweiten Besuch ja Blumen
und Gartenwerkzeuge mitbringen, damit der Ort seine frühere
Schönheit wieder erhielt. Doch dann kam ich mit leeren
Händen.
Ich bin nicht sicher, was ich wollte oder erwartete. Vielleicht
suchte ich nach Vergebung. Aber das glaube ich gar nicht.
Töchter töten ihre Mütter auf vielerlei Weise. Wenn nicht bei
der Geburt, dann später. Manche meiner Freundinnen in
Canberra brachten ihre Mütter ganz allmählich um, jeden Tag
ein bisschen, ein Tod durch Millionen Stiche.
Was ich getan hatte, war bizarr. Es war eines dieser
unerklärlichen Ereignisse im Leben wie ein Eisberg, der auf
eine Schiffswand stößt und sie wie einen Fetzen Papier der
Länge nach aufschneidet. Ich wusste, man konnte mir nicht die
Schuld für etwas geben, das passiert ist, als ich vier Jahre alt
war.
Dennoch fragte ich mich, ob an jenem Tag nicht noch etwas
anderes im Spiel war. Wie unschuldig war ich wirklich, als ich
abdrückte? Ich meine, selbst mit vier Jahren musste ich doch
schon eine Ahnung gehabt haben, was eine Schusswaffe
bedeutet und was sie anrichten kann. War ich an jenem
Nachmittag wütend auf meine Mutter? War ich schon länger
wütend auf sie gewesen? Womöglich seit sechs Monaten?
Oder sogar immer schon?
Ich saß am Grab und zupfte die Kletten weg, die wieder zu
wuchern angefangen hatten. Ich würde mit meiner Mutter nie
mehr Frieden schließen können. Ich konnte sie nicht um
Nachsicht bitten. Ich musste ihrem Herzen vertrauen, ihrem
Geist.
Ich dachte an die Geschichte von den Sieben kleinen
Australiern und mir fiel die Stelle ein, als Judy in der Hütte
liegt, zitternd vor Angst, weil sie weiß, dass sie mit dreizehn
sterben wird, und ihre Schwester Meg zu ihr sagt: ›Du wirst
nicht allein sein‹, weil ihre vier Jahre zuvor verstorbene Mutter
auf sie warten würde.
Würde meine Mutter auf mich warten, wenn es so weit war?
Würde sie mir eine lange vorbereitete Predigt halten?
Immerhin hatte ich sie um vielleicht vierzig Jahre ihres Lebens
gebracht. Sie hatte jedes Recht, böse zu sein. Ich wäre es, und
wie!
Oder würde sie sich freuen, weil wir wieder zusammen
wären?
Ich zerrte an einem Unkraut und bemerkte zu spät, dass es
eine Brennnessel war. Mann, tat das weh! Meine Finger
wurden ganz rot und glühend heiß und schwollen an. Ich
saugte an ihnen und dachte, das sei ein böses Omen. Doch
dann fand ich es auf einmal urkomisch. Ich hatte meine

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