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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Mosley erscheinen sollen? Der Wagen fuhr die lange Reihe der Faschisten entlang und bog in eine Nebenstraße ein, die in den Finanzdistrikt führte. Lloyd wartete. Eine halbe Stunde später kam Mosley zurück, diesmal zu Fuß. Er salutierte erneut und nahm den Jubel seiner Anhänger entgegen.
    Als er das Ende der Reihe erreichte, machte er kehrt und verschwand in einer Nebenstraße, begleitet von einem seiner Offiziere.
    Lloyd folgte ihnen.
    Mosley näherte sich einer Gruppe älterer Männer, die auf dem Gehsteig standen. Zu seinem Erstaunen erkannte Lloyd den Polizeichef, Sir Philip Game, im Anzug mit Fliege und Trilby-Hut. Die beiden Männer begannen ein intensives Gespräch. Wahrscheinlich teilte der Polizeichef dem Faschistenführer mit, dass die Anzahl der Gegendemonstranten zu groß sei, als dass sie vertrieben werden könnten. Doch wie lautete dann sein Rat an Mosley und dessen Anhänger? Lloyd wäre gern näher herangeschlichen, um das Gespräch zu belauschen, hielt aber Abstand; er durfte keine Festnahme riskieren.
    Während der Polizeichef auf ihn einredete, nickte Mosley mehrmals und stellte ein paar Fragen. Dann schüttelten die beiden Männer einander die Hände, und Mosley ging davon. Er kehrte zum Park zurück und besprach sich mit seinen Offizieren. Unter ihnen erkannte Lloyd auch Boy Fitzherbert, der die gleiche Uniform trug wie Mosley. Doch Boy sah darin längst nicht so schneidig aus; der enge militärische Schnitt vertrug sich schlecht mit seinem weichen Körper und seiner ganzen Haltung, die keine soldatische Härte vermittelte, sondern träge Sinnlichkeit.
    Mosley schien Befehle zu erteilen. Die anderen Männer salutierten und gingen davon – zweifellos, um seine Anweisungen auszuführen. Was hatte Mosley ihnen befohlen? Sie konnten doch nur aufgeben und nach Hause zurückkehren; das war das einzig Vernünftige. Aber hätten sie vernünftig gehandelt, wären sie keine Faschisten gewesen.
    Plötzlich gellten Pfeifen. Befehle wurden gebrüllt. Musikkapellen begannen zu spielen, und die Männer nahmen Haltung an.Lloyd begriff, dass die Faschisten tatsächlich marschierten. Die Polizei musste ihnen eine Route zugewiesen haben. Aber welche?
    Dann zog die Marschkolonne langsam los – allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Statt ins Eastend einzurücken, bewegte sie sich nach Westen, zum Finanzdistrikt, der an einem Sonntagnachmittag völlig verwaist war.
    Lloyd konnte es kaum fassen. »Sie haben aufgegeben!«, rief er.
    Ein Mann neben ihm sagte: »Ja, so sieht’s aus, was?«
    Fünf Minuten lang beobachtete Lloyd, wie die Kolonnen langsam davonzogen. Als kein Zweifel mehr bestehen konnte, rannte er zur nächsten Telefonzelle und rief Bernie an. »Sie rücken ab!«
    »Was denn, ins Eastend?«, fragte Bernie.
    »Nein, in die andere Richtung. Sie ziehen nach Westen, in die City. Wir haben gesiegt!«
    »Gütiger Gott!« Bernie sprach zu anderen ringsum. »Hört mal alle her! Die Faschisten marschieren nach Westen. Sie geben auf!«
    Lloyd hörte wilden Jubel.
    Dann meldete Bernie sich wieder: »Behalte sie im Auge. Lass uns wissen, sobald sie Tower Gardens verlassen haben.«
    »Mach ich.« Lloyd legte auf.
    In Hochstimmung umging er den Park. Mit jeder Minute wurde deutlicher, dass die Faschisten tatsächlich geschlagen waren. Ihre Kapellen spielten, und sie marschierten im Gleichschritt, aber ihre Bewegungen hatten keinen Schwung mehr, und die judenfeindlichen Gesänge waren verstummt. Nicht die Juden verschwanden, wie die Faschisten es grölend gefordert hatten, sondern sie selbst.
    Als Lloyd an der Einmündung der Byward Street vorbeikam, sah er Daisy wieder.
    Sie näherte sich dem auffälligen, schwarz-cremefarbenen Rolls-Royce. Auf dem Weg dorthin musste sie an Lloyd vorbei, der es sich nicht verkneifen konnte, ihr die Niederlage ihrer Gesinnungsgenossen unter die Nase zu reiben. »Die Bewohner des Eastends haben euch und euren schmutzigen Ideen eine Abfuhr erteilt.«
    Daisy blieb stehen und blickte ihn an, kühler denn je. »Uns hat eine Schlägerbande den Weg verstellt«, entgegnete sie geringschätzig.
    »Trotzdem, ihr marschiert in die andere Richtung.«
    »Eine verlorene Schlacht ist noch kein verlorener Krieg.«
    Lloyd musste ihr recht geben. Aber es war eine ziemlich große Schlacht gewesen, die die Faschisten an diesem Tag verloren hatten. »Sie gehen nicht mit Ihrem Freund nach Hause?«, fragte er.
    »Ich fahre lieber«, erwiderte Daisy. »Und er ist nicht mein Freund, er ist mein

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