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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Rahmen. Es war Nachmittag; deshalb waren noch nicht viele Gäste da. Die einzige anwesende Frau schien eine gealterte Prostituierte zu sein, die sich von einem Kater erholte.
    Markus saß im hinteren Teil des Gastraumes vor einem Glas Bier. Er war Mitte dreißig, sah mit seinem säuberlich gestutzten Bart aber älter aus. Sein Mantel war geöffnet, sodass das Pelzfutterzu sehen war. Der rattengesichtige Russe saß zwei Tische von Markus entfernt und drehte sich eine Zigarette.
    Als Wolodja näher kam, geschah etwas Unerwartetes. Markus schoss hoch und schmetterte ihm die Faust ins Gesicht.
    »Du Scheißkerl!«, rief er auf Deutsch. »Du verdammte Drecksau!«
    Wolodja war so geschockt, dass er einen Moment wie erstarrt dastand. Seine Lippen waren aufgeplatzt, und er schmeckte Blut. Wieder schlug Markus nach ihm, aber diesmal war Wolodja vorbereitet und duckte sich mit Leichtigkeit unter dem wilden Schwinger hinweg.
    »Warum hast du das getan?«, schrie Markus. »Warum?«
    Dann brach er so plötzlich zusammen, wie er durchgedreht war. Er ließ sich auf den Stuhl fallen, vergrub das Gesicht in den Händen und schluchzte.
    Wolodja blutete aus dem Mund. »Halt jetzt bloß die Klappe, du Idiot«, zischte er Markus zu. Dann drehte er sich zu den anderen Gästen um, die ihn anstarrten. »Alles in Ordnung«, erklärte er. »Er hat sich nur ein bisschen aufgeregt.«
    Die Gäste wandten sich wieder ihren Getränken zu, und ein Mann schlurfte aus der Kneipe. Moskowiter mischten sich nie freiwillig in Streitereien ein. Es war gefährlich, auch nur zwei Betrunkene voneinander zu trennen; schließlich könnte einer von ihnen Parteifunktionär sein. Die Leute hier wussten, dass Wolodja ein solcher Mann war. Sie erkannten es allein schon an seinem guten Mantel.
    Wolodja wandte sich wieder Markus zu. Mit gesenkter Stimme fragte er: »Bist du verrückt geworden? Was sollte das denn?« Er sprach Deutsch. Markus’ Russisch war miserabel.
    »Du hast Irina verhaftet«, schluchzte Markus. »Du Bastard hast ihr die Brust mit einer Zigarette verbrannt!«
    Wolodja zuckte unwillkürlich zusammen. Irina war Markus’ russische Freundin. Allmählich verstand Wolodja, was hier los war, und bekam ein mieses Gefühl. Er setzte sich Markus gegenüber. »Ich habe Irina nicht verhaftet«, sagte er, »und es tut mir leid, dass sie verletzt wurde. Erzähl mir, was passiert ist.«
    »Männer haben sie abgeholt, mitten in der Nacht. Ihre Mutter hat es mir erzählt. Die Kerle wollten nicht sagen, wer sie waren,aber sie gehörten nicht zur Miliz, dazu waren sie zu gut gekleidet. Wohin sie Irina gebracht haben, weiß ihre Mutter nicht. Aber sie haben Irina nach mir gefragt und ihr vorgeworfen, eine Spionin zu sein. Und dann haben diese Schweine sie gefoltert, vergewaltigt und auf die Straße geworfen …«
    »Scheiße«, sagte Wolodja. »Das tut mir leid.«
    »Es tut dir leid? Du steckst doch dahinter! Wer denn sonst?«
    »Es hat nichts mit der GRU zu tun, ich schwöre es.«
    »Ist mir auch scheißegal«, sagte Markus resigniert. »Ich bin fertig mit dir, und ich bin fertig mit dem Kommunismus.«
    »Der Kampf gegen den Kapitalismus fordert nun mal seine Opfer«, sagte Wolodja, obwohl diese Worte sogar in seinen eigenen Ohren hohl und abgedroschen klangen.
    »Du junger Narr«, erwiderte Markus. »Sozialismus bedeutet, von genau solchen Dingen frei zu sein. Begreifst du das denn nicht?«
    Wolodja hob den Blick und sah einen stämmigen Mann im Ledermantel durch die Tür kommen. Instinktiv wusste er, dass der Mann nicht hergekommen war, um etwas zu trinken. Irgendetwas ging hier vor, doch Wolodja wusste nicht, was es war. Er war noch neu in diesem Geschäft und entsprechend unerfahren. Aber er spürte deutlich, dass eine Gefahr drohte. Nur wusste er nicht, was er tun sollte.
    Der Neuankömmling näherte sich dem Tisch, an dem Wolodja und Markus saßen.
    In diesem Moment stand der Mann mit dem Rattengesicht auf und kam ebenfalls zu ihnen. Seine Stimme klang erstaunlich ruhig und kultiviert, als er sagte: »Sie beide sind verhaftet.«
    Wolodja fluchte.
    Markus sprang auf. »Ich bin Handelsattaché an der deutschen Botschaft!«, rief er in holprigem Russisch. »Ihr könnt mich nicht verhaften! Ich genieße diplomatische Immunität!«
    Die anderen Gäste verließen die Kneipe, so schnell sie konnten. Nur zwei Leute blieben zurück: der Wirt, der nervös die Theke wischte, und die alte Nutte, die eine Zigarette rauchte und in ihr leeres Glas starrte.
    »Mich können

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