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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hätte.
    Aber die Nachricht war alles andere als eine Katastrophe. Mit wachsendem Erstaunen las Wolodja, was Werner ihm zu berichten hatte. Er teilte mit, das deutsche Militär habe beschlossen, Spione nach Spanien zu schicken, die sich als antifaschistische Freiwillige ausgeben und im Bürgerkrieg aufseiten der Regierung kämpfen sollten. Sie würden insgeheim Botschaften an die von den Deutschen unterstützten Streitkräfte der Rebellen schicken.
    Das an sich war schon eine heiße Information, aber da war noch mehr.
    Werner nannte Namen.
    Wolodja musste sich zurückhalten, um nicht vor Freude zu jubeln. Einen solchen Coup landete ein Geheimdienstoffizier wohl nur einmal im Leben. Es machte den Verlust von Markus mehr als wett. Werner war Gold wert. Wolodja schauderte bei der Vorstellung, welche Risiken dieser Mann auf sich genommen haben musste, um an die Liste heranzukommen und sie aus dem Reichsluftfahrtministerium zu schmuggeln.
    Wolodja war versucht, sofort zu Lemitow gehen, ließ es dann aber und beschloss, erst alles aufzuarbeiten.
    Die vier jungen Subalternoffiziere teilten sich eine Schreibmaschine. Wolodja hob das schwere alte Ding von Kamens Tisch und trug es zu seinem Schreibtisch hinüber. Im klassischen Zweifingersystem tippte er eine russische Übersetzung von Werners Nachricht. Es dauerte so lange, dass bereits die Sonne unterging und die großen Scheinwerfer vor dem Gebäude eingeschaltet wurden.
    Schließlich legte Wolodja einen Durchschlag des Dokuments in seine Schreibtischschublade und ging mit dem Original nach oben.
    Major Lemitow war in seinem Büro. Er war ein gut aussehender Mann von ungefähr vierzig Jahren, der sein dunkles, gegeltes Haar nach hinten gekämmt trug. Lemitow war gerissen und seinen Untergebenen gedanklich stets einen Schritt voraus. Darin war er Wolodja ein Vorbild. Außerdem war er kein Anhänger der althergebrachten militärischen Sichtweise, dass eine straffe Organisation nur über Drill und Gebrüll zu erreichen sei. Doch wenn sichjemand als inkompetent erwies, war er gnadenlos. Wolodja respektierte und fürchtete ihn zugleich.
    »Das könnte eine unglaublich nützliche Information sein«, sagte Lemitow, nachdem er Wolodjas Übersetzung gelesen hatte.
    »Könnte?« Wolodja sah keinen Grund, am Wert der Information zu zweifeln.
    »Ja. Es könnte sich schließlich auch um eine gezielte Fehlinformation handeln«, erklärte Lemitow.
    Wolodja glaubte nicht daran, musste aber einräumen, dass zumindest die Möglichkeit bestand, dass man Werner erwischt und »umgedreht« hatte, sodass er nun für die Gegenseite arbeitete. »Was für eine Fehlinformation meinen Sie?«, fragte er. »Glauben Sie, das sind falsche Namen, mit denen man uns von den wirklichen Spionen ablenken will?«
    »Möglich. Oder es sind die Namen echter Freiwilliger – Kommunisten und Sozialisten –, die aus Nazi-Deutschland geflohen und nach Spanien gegangen sind, um dort für die Freiheit zu kämpfen. Dann verhaften wir womöglich echte Antifaschisten.«
    »Verdammt!«, stieß Wolodja hervor.
    Lemitow lächelte. »Schauen Sie nicht so unglücklich. Die Information ist trotzdem sehr gut. Wir haben ja auch Spione in Spanien – junge Soldaten und Offiziere, die sich mehr oder weniger freiwillig zu den Internationalen Brigaden gemeldet haben. Die können der Sache nachgehen.« Er griff nach einem roten Stift und schrieb in seiner zierlichen kleinen Handschrift etwas auf das Blatt Papier. »Gute Arbeit«, sagte er.
    Wolodja verstand dies als Hinweis, dass Lemitow das Gespräch als beendet betrachtete, und ging zur Tür.
    »Haben Sie heute Markus getroffen?«, fragte Lemitow unvermittelt.
    Wolodja drehte sich zu ihm um. »Es gab da ein Problem.«
    »Das dachte ich mir schon.«
    Wolodja erzählte ihm die Geschichte. »Ich habe einen wertvollen Informanten verloren«, beendete er seinen Bericht. »Aber was hätte ich anderes tun sollen? Hätte ich dem NKWD vielleicht im Vorfeld von Markus erzählen sollen?«
    »Zum Teufel, nein!«, antwortete Lemitow. »Die sind kein bisschen vertrauenswürdig. Denen dürfen Sie nie etwas erzählen. Abermachen Sie sich keine Sorgen. Sie haben Markus nicht verloren. Sie können ihn leicht wieder zurückholen.«
    »Und wie?« Wolodja verstand nicht. »Er hasst uns jetzt.«
    »Verhaften Sie Irina noch einmal.«
    »Was?« Wolodja war entsetzt. Hatte die junge Frau nicht schon genug durchgemacht? »Dann wird er uns noch mehr hassen.«
    »Sagen Sie ihm, dass wir Irina noch einmal

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