Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman
ihn. »Mach, dass du wegkommst«, sagte er auf Spanisch.
Lloyd ignorierte ihn. »Hallo, Teresa.«
»Ich komme schon zurecht«, sagte sie. »Mach dir keine Sorgen um mich.«
Ilja musterte Lloyd genauer. »Moment mal, dich kenne ich doch. Du hast letzte Woche versucht, die Verhaftung eines trotzkistisch-faschistischen Spions zu verhindern.«
»Und diese Dame ist eine trotzkistisch-faschistische Spionin?«,erwiderte Lloyd. »Wohl kaum. Wenn ich mich nicht verhört habe, haben Sie sie gerade zum Abendessen eingeladen. Das wäre dann ja Verbrüderung mit dem Feind.«
Iljas Handlanger, Berezowski, baute sich drohend vor Lloyd auf. Der erkannte, dass die Sache zunehmend außer Kontrolle geriet.
»Señorita«, sagte er rasch, »ich wollte Ihnen nur Bescheid geben, dass Oberst Bobrow Sie umgehend in seinem Hauptquartier sehen will. Bitte folgen Sie mir, ich bringe Sie zu ihm.« Bobrow war der oberste sowjetische Berater. Er hatte Teresa zwar nicht eingeladen, aber die Geschichte klang plausibel; Ilja konnte nicht wissen, dass sie erfunden war.
Einen Augenblick lang wusste keiner von ihnen, in welche Richtung sich alles entwickeln würde. Erst als ein Schuss zwischen den Ruinen widerhallte, schien Ilja in die Realität zurückzukehren. Teresa versuchte erneut, sich von ihm loszureißen, und diesmal ließ er sie gehen. Wütend richtete er den Finger auf Lloyds Gesicht. »Wir sehen uns wieder«, drohte er und stapfte davon, gefolgt von Berezowski, seinem Kettenhund.
»Blöder Wichser«, sagte Dave.
Ilja tat so, als hätte er ihn nicht gehört.
Alle setzten sich. »Du hast dir gerade einen üblen Feind gemacht, Lloyd«, sagte Dave.
»Mir blieb keine Wahl.«
»Von nun an solltest du öfters über die Schulter schauen.«
»Das war doch nur ein Streit wegen eines Mädchens.« Lloyd winkte ab. »So was passiert tausendmal am Tag.«
Bei Einbruch der Dunkelheit rief eine Handglocke die Männer zum Essenfassen. Lloyd bekam eine Schüssel mit dünnem Eintopf, ein Stück trockenes Brot und einen großen Becher Rotwein, der so bitter schmeckte, dass er Zahnschmerzen bekam. Er tunkte das Brot in den Wein, was beides ein wenig genießbarer machte. Doch nach dem Essen hatte Lloyd immer noch Hunger, wie jedes Mal.
»So«, sagte er, »und jetzt genehmigen wir uns erst mal eine schöne Tasse Tee.«
»Oh ja«, sagte Lenny. »Mit zwei Stück Zucker bitte.«
Sie breiteten ihre dünnen Decken aus. Bevor Lloyd sich zum Schlafen hinlegte, machte er sich auf die Suche nach einer Latrine, fand aber keine. Notgedrungen erleichterte er sich in einem kleinenOlivenhain am Dorfrand. Der Mond war drei viertel voll; im bleichen Licht konnte Lloyd die wenigen staubbedeckten Blätter an den Bäumen sehen, die den Beschuss überlebt hatten.
Als er sich die Hose zuköpfte, hörte er Schritte hinter sich und drehte sich um. In dem Sekundenbruchteil, in dem er Iljas Gesicht erkannte, traf ihn der Schlagstock am Kopf. Lloyd ging zu Boden und blickte benommen zu seinem Peiniger auf. Berezowski hielt den Revolver auf ihn gerichtet. Ilja, der neben ihm stand, sagte: »Keine Bewegung, oder du bist tot.«
Lloyd hatte Todesangst. Verzweifelt schüttelte er den Kopf, um wieder klar denken zu können. »Und wie wollt ihr den Mord an einem Offizier erklären?«, fragte er mit schleppender Stimme.
»Mord?« Ilja lachte auf. »Wir sind hier an der Front. Da kann man sich schnell eine verirrte Kugel einfangen.« Er grinste. »Pech gehabt.«
Entsetzen packte Lloyd. Der Mistkerl hatte recht. Wenn man seine Leiche fand, würde es so aussehen, als wäre er im Kampf getötet worden.
Was für eine Art zu sterben.
Ilja blickte Berezowski an. »Mach ihn fertig.«
Ein Schuss dröhnte.
Zu seiner Verwunderung spürte Lloyd nichts. War das der Tod?
Dann sah er, wie Berezowski zusammenbrach. Im selben Augenblick wurde ihm bewusst, dass der Schuss hinter ihm abgefeuert worden war. Ungläubig drehte er sich um. Im Mondlicht sah er Dave mit seiner erbeuteten Luger. Vor Erleichterung wurde Lloyd schwindlig.
Ilja hatte Dave ebenfalls entdeckt. Nun rannte er um sein Leben. Dave verfolgte ihn ein paar Sekunden lang mit erhobener Pistole, doch Ilja schlug Haken um die Olivenbäume herum und verschwand in der Dunkelheit.
Dave blieb keuchend stehen und senkte die Waffe.
Lloyd blickte auf Berezowski. Der atmete nicht mehr.
»Danke, Dave«, sagte Lloyd.
»Ich hatte dir doch gesagt, du sollst aufpassen, verdammt.«
»Wofür habe ich dich?« Lloyd grinste. »Schade, dass du
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