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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wenn ein paar Straßen entfernt ein weiteres Haus geräumt wurde.
    »Was haben wir eigentlich gewonnen?«, wandte Lloyd sich an Dave. »Wir haben unsere wenige Munition verschossen, haben viele Männer verloren und sind keinen Schritt vorwärtsgekommen. Und was noch schlimmer ist, wir haben den Faschisten Zeit gegeben, Verstärkung heranzuführen. Wie konnte es so weit kommen?«
    »Das kann ich dir sagen«, erwiderte Dave mit seinem Eastend-Akzent. Seine Seele hatte sich noch mehr verhärtet als sein Körper, und er war zum Zyniker geworden. »Unsere Offiziere haben mehrAngst vor ihren Kommissaren als vor dem Feind. Ist ja auch kein Wunder. Man kann sie aus den nichtigsten Gründen zu trotzkistisch-faschistischen Spionen erklären und zu Tode foltern. Deshalb wagt keiner mehr, auch nur Piep zu sagen. Sie bleiben lieber steif und starr sitzen, als sich zu bewegen. Eigeninitiative gibt es nicht mehr, und keiner geht mehr ein Risiko ein. Ich wette, ohne schriftlichen Befehl scheißen die Männer nicht mal. Na ja, dann können sie sich damit hinterher wenigstens den Arsch abwischen.«
    Lloyd fragte sich, ob Dave mit seiner verbitterten Analyse recht hatte. Die Kommunisten redeten ständig davon, wie wichtig eine disziplinierte Armee mit einer klaren Befehlskette sei. Zwar meinten sie damit eine Armee, die russischen Befehlen folgte, doch Lloyd erkannte durchaus den Sinn dahinter. Allerdings konnte zu viel Disziplin das Denken behindern. Lag da das Problem?
    Lloyd konnte es sich nicht vorstellen. Sozialdemokraten, Kommunisten und Anarchisten hatten ein gemeinsames Ziel – da mussten sie es doch auch schaffen, gemeinsam zu kämpfen, ohne dass eine Gruppe die anderen tyrannisierte. Ihr gemeinsamer Feind war der Faschismus, und sie alle glaubten an eine gerechtere Gesellschaft.
    Lloyd fragte sich, wie Lenny wohl darüber dachte, doch der saß neben Teresa und unterhielt sich leise mit ihr. Sie kicherte über eine Bemerkung von ihm. Offenbar machte Lenny Fortschritte; es war stets ein hoffnungsvolles Zeichen, wenn man ein Mädchen zum Lachen brachte. Lloyd sah, wie Teresa Lennys Arm berührte, ein paar Worte zu ihm sprach und aufstand. »Komm schnell wieder«, sagte Lenny. Teresa lächelte ihn über die Schulter hinweg an.
    Lenny war ein Glückspilz, doch Lloyd empfand keinen Neid. Er hatte kein Interesse an einer Romanze. Er sah keinen Sinn darin. Für ihn gab es immer nur alles oder nichts. Das einzige Mädchen, das er je wirklich gewollt hatte, war Daisy gewesen. Aber die war nun mit Boy Fitzherbert verheiratet, und Lloyd war noch keiner Frau begegnet, die Daisys Platz in seinem Herzen hätte einnehmen können. Eines Tages aber würde es so weit sein, davon war er überzeugt. Doch bis dahin hatte er kein Interesse an kurzfristigem Ersatz, auch wenn dieser Ersatz so verführerisch war wie Teresa.
    »Da kommen die Russen«, sagte Jasper Johnson, ein schwarzer Elektriker aus Chicago. Lloyd hob den Blick und sah gut einDutzend Militärberater, die wie Konquistadoren durch das Dorf marschierten. Man konnte sie leicht an ihren Lederjacken erkennen. »Schon seltsam«, fuhr Jasper spöttisch fort. »Während der Kämpfe habe ich sie nicht gesehen. Wahrscheinlich hatten sie an einem anderen Frontabschnitt zu tun.«
    Lloyd schaute sich um und überzeugte sich davon, dass kein Kommissar in der Nähe war, der Jaspers subversive Bemerkung hätte aufschnappen können.
    Als die Russen den Friedhof der zerstörten Kirche überquerten, entdeckte Lloyd einen alten Bekannten: Ilja Dworkin, den Geheimpolizisten, mit dem er vor einer Woche aneinandergeraten war. Der Weg des Russen kreuzte sich mit dem Teresas, und er blieb kurz stehen, um mit ihr zu reden.
    Lloyd hörte, wie er in schlechtem Spanisch irgendetwas über ein Abendessen sagte. Teresa antwortete, und Ilja redete erneut auf sie ein. Diesmal schüttelte Teresa den Kopf. Offensichtlich weigerte sie sich. Sie wandte sich zum Gehen, doch Ilja packte sie am Arm.
    Lloyd sah, wie Lenny sich aufsetzte und zu den beiden hinüberstarrte.
    »Oh, Scheiße«, murmelte er.
    Teresa versuchte, sich von Ilja zu befreien, aber der schien seinen Griff zu verstärken.
    Wie nicht anders zu erwarten, wollte Lenny Teresa zu Hilfe eilen, doch Lloyd ging rasch zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Lass mich das machen.«
    »Sei bloß vorsichtig«, sagte Dave. »Der Hurensohn ist vom NKWD . Diesen Typen sollte man lieber aus dem Weg gehen.«
    Lloyd ging auf Teresa und Ilja zu.
    Der Russe sah

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