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Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hörte, wie Kugeln an ihm vorbeizischten.
    Plötzlich fühlte sein linker Arm sich an, als hätte er sich an irgendetwas gestoßen. Er stürzte schwer zu Boden. Erst in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er getroffen worden war. Er spürte keinen Schmerz, aber sein Arm war taub und leblos.
    Irgendwie gelang es ihm, sich zur Seite zu rollen, bis er gegen die Wand eines Gebäudes auf der rechten Straßenseite stieß. Noch immer sirrten die Kugeln durch die Luft. Lloyd erkannte, dass er ein erschreckend leichtes Ziel bot. Gehetzt blickte er sich um und sah ein paar Fuß entfernt eine Leiche. Es war ein faschistischer Soldat, der mit dem Rücken an einem Haus lehnte. Man hätte glauben können, er säße da und schliefe, wäre das Einschussloch in seinem Hals nicht gewesen.
    Lloyd kroch vorwärts, bewegte sich schwerfällig und unbeholfen. Das Gewehr in der rechten Hand, schleifte er den linken Arm hinter sich her. Schließlich kauerte er sich hinter die Leiche und machte sich so klein, wie er konnte. Mit einiger Mühe legte er das Gewehr auf die Schulter des Toten, zielte auf eines der oberen Fenster im Kirchturm und feuerte alle fünf Schuss, die er in der Waffe hatte, in rascher Folge ab. Ob er jemanden getroffen hatte, konnte er nicht sagen.
    Er schaute nach hinten. Zu seinem Entsetzen sah er, dass die Straße mit den Leichen seiner Männer übersät war. Der regungslose Körper Mario Riveras in seinem rot-schwarzen Hemd sah wie eine zerknüllte Anarchistenfahne aus. Neben Mario lag Jasper Johnson, die schwarzen Locken blutdurchtränkt.
    Da ist er den ganzen weiten Weg von seiner Fabrik in Chicago gekommen, dachte Lloyd, um hier in der Straße einer spanischenKleinstadt zu sterben. Und das nur, weil er an eine bessere Welt geglaubt hat.
    Aber noch schlimmer dran waren die, die noch lebten. Sie stöhnten, weinten, riefen um Hilfe, wanden sich hilflos im Staub. Irgendwo schrie ein Mann vor Schmerz; Lloyd konnte nicht sagen, wer und wo. Er sah, dass ein paar seiner Männer noch immer voranstürmten, aber auch sie wurden niedergeschossen oder warfen sich zu Boden. Sekunden später bewegte sich niemand mehr außer den Verwundeten.
    Wut und Trauer schnürten Lloyd die Kehle zu.
    Wo waren die anderen Einheiten? Sein Zug war doch bestimmt nicht der einzige, der an diesem Angriff beteiligt war. Vielleicht waren die anderen auf Parallelstraßen gegen die Kirche vorgerückt. Aber für solch einen Sturmangriff brauchte man eine starke zahlenmäßige Überlegenheit. Lloyd und seine fünfunddreißig Mann waren viel zu wenig. Die Verteidiger hatten sie fast alle töten oder verwunden können. Die wenigen von Lloyds Männern, die unverletzt geblieben waren, hatten sich Deckung suchen müssen, bevor sie die Kirche erreichen konnten.
    Lloyd sah Lenny, der vorsichtig hinter einem Pferdekadaver hervorspähte. Wenigstens lebte er noch. Lenny hob das Gewehr und machte eine hilflose Geste, die besagte: »Keine Munition mehr.«
    Knapp eine Minute später feuerte auch der letzte Angreifer seinen letzten Schuss ab. Es war das Ende des Angriffs auf die Kirche von Belchite. Ohne Munition war ein weiteres Vorrücken Selbstmord.
    Der Geschosshagel aus der Kirche war abgeebbt, nachdem die leichteren Ziele ausgeschaltet worden waren; nur hin und wieder peitschte noch ein Schuss durch die Straße, wenn ein Scharfschütze einen der in Deckung gegangenen Rebellen unter Feuer nahm.
    Lloyd erkannte, dass früher oder später alle seine Männer auf diese Weise getötet würden. Sie mussten sich zurückziehen, auch wenn damit zu rechnen war, dass sie dann auf der Flucht erschossen wurden. Aber das war immer noch besser, als hier hilflos auf den Tod zu warten.
    Lloyd blickte wieder zu Lenny und deutete mit Nachdruck nach hinten, weg von der Kirche. Lenny schaute sich um und wiederholte die Geste für die wenigen anderen Überlebenden. Siewürden eine bessere Chance haben, wenn sie sich alle gleichzeitig in Bewegung setzten.
    Als alle bereit waren, stemmte Lloyd sich hoch. Nach einem letzten raschen Blick zur Kirche rief er: »Rückzug!«
    Dann rannte er los.
    Es waren nicht mehr als zweihundert Meter, aber es war die längste Strecke seines Lebens.
    Die Rebellen in der Kirche eröffneten das Feuer, kaum dass sie Bewegung bei den Regierungstruppen sahen. Aus dem Augenwinkel heraus glaubte Lloyd fünf oder sechs seiner Männer zu erkennen. Das Laufen fiel ihm schwer, denn sein schlaffer, tauber Arm war noch immer wie ein Fremdkörper. Lenny war vor ihm,

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