Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman

Titel: Winter der Welt - Die Jahrhundert-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Spanien.
    Dennoch war Gus entschlossen, das Thema anzuschneiden. Woody kannte die große politische Vision seines Vaters. Er träumte von einem Weltgremium, das Konflikte auf friedlichem Weg löste und Kriegen damit vorbeugte.
    Was das anging, stand Woody voll und ganz hinter seinem Vater. Er hatte sich im Debattierclub in Harvard über dieses Thema ausgelassen. Wenn zwei Nationen im Streit lagen, bestand der denkbar schlechteste Umgang mit diesem Konflikt darin, dass man sich gegenseitig umzubringen versuchte. Das erschien Woody offensichtlich. »Ich verstehe natürlich, weshalb so etwas passiert«, hatte er während der Debatte gesagt. »So wie ich verstehe, weshalb Betrunkene eine Schlägerei vom Zaun brechen. Aber das macht es kein bisschen vernünftiger.«
    Nun aber fiel es ihm schwer, sich von dem Gedanken an Joanne zu lösen. Die unerwartete Begegnung mit ihr hatte seine alten Gefühle für sie wieder geweckt. Wie es wohl um Joannes Gefühle für ihn bestellt war? Vielleicht würde er es heute Abend erfahren. Gemocht hatte sie ihn immer, und wie es schien, hatte sich nichts daran geändert. Warum sonst hatte sie ihn zu ihrer Party eingeladen?
    Damals, 1935, hatte sie nicht mit ihm gehen wollen, weil er fünfzehn gewesen war und sie achtzehn. Jetzt aber waren sie beide vier Jahre älter, und der Altersunterschied fiel nicht mehr so ins Gewicht – hoffte Woody jedenfalls. Er war in Buffalo und in Harvard mit Mädchen ausgegangen, aber für keine hatte er so viel Leidenschaft empfunden wie für Joanne.
    »Hast du verstanden?«, riss Gus ihn aus seinen Gedanken.
    Woody kam sich schrecklich dumm vor. Sein Vater wollte dem Präsidenten einen Plan vorlegen, der den Weltfrieden herbeiführen konnte, und er dachte an nichts anderes als daran, Joanne zu küssen.
    »Sicher«, antwortete er auf Gus’ Frage. »Ich rede erst, wenn ich angesprochen werde.«
    Eine große schlanke Frau Anfang vierzig kam in den Warteraum. Sie wirkte gelassen und selbstsicher, als wäre sie die Hausherrin. Woody erkannte Marguerite LeHand, genannt Missy, Roosevelts Assistentin. Sie hatte ein langes, beinahe maskulines Gesicht mit einer großen Nase, und ihr dunkles Haar zeigte einen Anflug von Grau. Sie lächelte Gus freundlich zu. »Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen, Senator.«
    »Wie geht es Ihnen, Missy? Sie erinnern sich bestimmt an meinen Sohn Woodrow.«
    »Selbstverständlich. Der Präsident erwartet Sie.«
    Missys Ergebenheit gegenüber Roosevelt war legendär. Dem Washingtoner Tratsch zufolge war sein Verhältnis zu der Assistentin enger, als es einem verheirateten Mann anstand. Diskreten Bemerkungen seiner Eltern hatte Woody entnommen, dass Roosevelts Lähmung sich nicht auf seine Fortpflanzungsorgane erstreckte. Seine Frau Eleanor weigerte sich, mit ihm zu schlafen, seit sie vor mehr als zwanzig Jahren ihr sechstes Kind zur Welt gebracht hatte. Vielleicht hatte FDR deshalb das Recht, die Avancen einer Assistentin, die ihm zugetan war, zu erwidern.
    Missy führte Gus und Woody durch eine weitere Tür und einen schmalen Flur in das Zentrum der Macht, das Oval Office.
    Der Präsident saß mit dem Rücken zu dem runden Erker mit den drei hohen Fenstern am Schreibtisch. Die Jalousien waren geschlossen, um die Augustsonne auszusperren, deren Licht durch die nach Süden weisende Scheibe in den großen Raum fiel. Roosevelt benutzte einen gewöhnlichen Bürosessel, bemerkte Woody, nicht seinen Rollstuhl. Er trug einen weißen Anzug und rauchte eine Zigarette mit Zigarettenspitze.
    Mit dem zurückweichenden Haaransatz, dem vorstehenden Kinn und dem Zwicker, der seine Augen scheinbar zu nahe zusammenstehen ließ, war FDR kein sonderlich gut aussehender Mann. Doch das gewinnende Lächeln, das er zeigte, hatte etwas Einnehmendes, genau wie die zum Handschlag ausgestreckte Rechte und der liebenswürdige Tonfall, den er nun bei der Begrüßung an den Tag legte. »Schön, Sie zu sehen, Gus.«
    »Mr. President, Sie erinnern sich an meinen älteren Sohn Woodrow …?«
    »Selbstverständlich. Wie geht es in Harvard voran, Woody?«
    »Sehr gut, Sir, vielen Dank.« Woody wusste, dass viele Politikerden Anschein zu erwecken verstanden, jeden persönlich zu kennen. Entweder hatten sie ein bemerkenswertes Gedächtnis oder aufmerksame Assistentinnen, die sie an alles und jeden erinnerten.
    »Freut mich zu hören. Ich war selbst in Harvard. Setzen Sie sich, setzen Sie sich.« Roosevelt zog den Stummel seiner Zigarette aus der Spitze und drückte sie in

Weitere Kostenlose Bücher